Staatsaufbau, Gewaltenteilung und Grundrechte: Nach coronabedingter Zwangspause erhalten Flüchtlinge in Baden-Württemberg wieder Rechtsstaatsunterricht. Mit einer ersten Unterrichtseinheit in der Erstaufnahmeeinrichtung in Tübingen gab Justizministerin Marion Gentges (CDU) am Mittwoch den Startschuss für das überarbeitete Programm.
Für dieses ehrenamtliche, vom Landtag mit 100.000 Euro finanzierte Projekt haben sich 300 Richter und Staatsanwälte gemeldet, um die Kurse anzubieten. »Zusammenleben funktioniert nur mit gemeinsamen Regeln, und Regeln funktionieren nur mit einem Verständnis für das, was sie bewirken sollen«, sagte Gentges.
Mit der Wiederaufnahme des Rechtsstaatsunterrichts reagiert das Ministerium auch auf die deutlich gestiegenen Zugangszahlen von Menschen, die Asyl begehren. Im Jahr 2021 wurden 15.470 von ihnen erfasst. Im ersten Halbjahr 2022 wurde laut dem Justizministerium der höchste Halbjahreszugang seit dem Jahr 2016 mit 8662 Asylbegehrenden verzeichnet.
Gentges befasste sich beim ersten Unterricht mit den Themen Gleichheitsgrundsatz und Schutz für Familie, Ehe und Kinder. Besonderes Augenmerk legt das überarbeitete Programm auf die Themen Antisemitismus und Rolle der Frau in Gesellschaft und Familie. »Jeder und jede soll leicht erkennen können, wo Freiheiten liegen und wo klare Grenzen gelten«, sagte Gentges. Der Unterricht wird jeweils mit vier Einheiten zu je 45 Minuten abgehalten.
Die Dozenten erteilen den Unterricht in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Volkshochschulen, die ihren Sitz im jeweiligen Landgerichtsbezirk haben. Der Unterrichtsstoff umfasst dabei Themen wie Staatsaufbau, Gewaltenteilung, Grundrechte sowie Gerichte und Polizei.
© dpa-infocom, dpa:220803-99-256568/6