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FDP-Fraktion: Grün-Schwarz muss Stromnetzausbau vorantreiben

Stromengpässe drohen nicht nur wegen der Energiekrise infolge des Kriegs. Ein Problem ist auch der Ausbau der Netze, der langsamer vorankommt als der Ausbau der erneuerbaren Energien. Vor allem im industriestarken, aber windarmen Südwesten ist das ein Politikum.

Strommasten
Strommasten einer Hochspannungsleitung. Foto: Federico Gambarini
Strommasten einer Hochspannungsleitung.
Foto: Federico Gambarini

Die FDP im Landtag nimmt die Landesregierung in die Pflicht, mehr für den Ausbau der Stromnetze zu tun. Der stagniere unter Grün-Schwarz, was Netzbetreiber bei drohenden Engpässen zu umfassenden Maßnahmen zwinge, sagte der energiepolitische Sprecher der Fraktion, Frank Bonath, der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Während der Umfang solcher Maßnahmen unter den drei grün-geführten Kabinetten um ein Vielfaches gestiegen sei, »versickern Fördergelder, die für die Verbesserung der Strominfrastruktur vorgesehen waren, ungenutzt in der Verwaltung«.

Der baden-württembergische Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW habe 2021 für sogenannten Redispatch - ein Eingriff in den Strommarkt zum Vermeiden von Engpässen - 2787 Gigawattstunden bereitgestellt, heißt es in einer Antwort des Landesumweltministeriums auf einen Antrag der FDP-Fraktion. Das sei im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um mehr als 400 Gigawattstunden beziehungsweise fast ein Fünftel. Zur Einordnung: In Baden-Württemberg wurden im Jahr 2020 insgesamt laut Statistischem Landesamt 65 800 Gigawattstunden Strom verbraucht.

Im letzten Jahr habe das Aufkommen an Maßnahmen zum Engpass-Management laut Bundesnetzagentur aus mehreren Gründen zugenommen, heißt es in dem Schreiben von Ministerin Thekla Walker (Grüne), das der dpa vorliegt. »Zum einen schreitet der Ausbau von Erneuerbaren-Energien-Anlagen, vor allem von Windenergieanlagen in Norddeutschland, stetig voran, wohingegen der Netzausbau nicht in gleichem Maße vorankommt.« Zudem habe die Versorgungslage in Frankreich, geprägt von vielen nicht betriebsbereiten Kernkraftwerken, den Redispatchbedarf angehoben.

Ein sogenannter Redispatch ist zum Beispiel dann notwendig, wenn im Norden Deutschlands zu viel Windstrom erzeugt wird. Da die Leitungen für den Weitertransport nach Süden nicht ausreichen, gibt es eine Art Stau auf den überlasteten Leitungen - und der Strom fließt über andere Wege ab. Wenn vorhandene Anlagen nicht ausreichend Strom zum Stabilisieren des Netzes einspeisen können, werden Reservekraftwerke hochgefahren oder es wird Strom aus dem Ausland importiert. Die bundesweiten Kosten für solche Netz- und Systemsicherheitsmaßnahmen beliefen sich den Angaben nach 2021 auf mehr als 2,2 Milliarden Euro. In den zehn Jahren davor lagen sie jeweils deutlich darunter.

»Die koordinierten Prozesse für den sicheren Netzbetrieb funktionieren, eine Gefährdung der Sicherheit und Stabilität der Stromversorgung in Baden-Württemberg liegt nicht vor«, so Walker. Dies gelte auch nach dem Stilllegen des letzten Atomkraftwerks im Südwesten in Neckarwestheim (Landkreis Heilbronn) Mitte April.

TransnetBW hatte Verbraucherinnen und Verbraucher zuletzt einige Male öffentlich zum Stromsparen aufgerufen - zuletzt für diesen Freitagmorgen von 6.00 bis 8.00 Uhr. Um die Menschen unmittelbar zu erreichen, gibt es eine eigene App namens »StromGedacht«, die über mögliche Engpässe und Sparmaßnahmen informiert. Gefragt nach den Änderungen beim Stromverbrauch infolge der Aufforderungen antwortet Walker: »Nach Angaben von TransnetBW konnte bislang kein signifikanter Effekt auf den Stromverbrauch beobachtet werden.«

Der FDP-Abgeordnete Bonath monierte, Grün-Schwarz überlasse den Netzbetreibern Sensibilisierungsmaßnahmen und den Verbrauchern die Stromnetzstabilität. Stattdessen solle sich die Landesregierung für eine bessere Planung der Netz- und Kraftwerkskapazitäten, die Weiternutzung der Kernenergie und schnelleren Bau wasserstofffähiger Gaskraftwerke im Südwesten einsetzen. In Anspielung auf die App ergänzte er: »Sicherheit statt Sensibilisierung, StromGemacht statt StromGedacht muss die Devise der Stunde sein.« Gerade wenn die Warnungen keinerlei Einfluss auf den Stromverbrauch gehabt hätten.

Jedoch geht nur etwa ein Viertel des deutschen Stromverbrauchs aufs Konto der Privathaushalte. Vergleichbare Aufrufe zum Sparen gibt es für die Industrie nicht. Davon hielte Bonath auch nichts: »Mehr als jeder andere Sektor hat die Industrie 2022 Energie gespart und damit maßgeblich dazu beigetragen, Deutschland und Baden-Württemberg sicher durch den Winter zu bringen«, erklärte er. Die politische Anerkennung sei bislang ausgeblieben. »Da sich Industriekunden in Deutschland einer im europäischen Vergleich beispiellosen Stromkostenbelastung gegenübersehen, würden Einsparappelle die Standortattraktivität Deutschlands weiter schmälern und die Verlagerung stromintensiver Prozesse ins Ausland nur unnötig beschleunigen.« Statt Appellen sei vor allem preisstabile Planungs- und Investitionssicherheit nötig.

TransnetBW über Redispatch

Infos über »StromGedacht«

Bundesnetzagentur über Redispatch

Dena zum Stromnetz von morgen

Infos zur freiwilligen Lastreduktion

Antwort des Ministeriums auf FDP-Antrag

Statistisches Landesamt u.a. zum Stromverbrauch

© dpa-infocom, dpa:230224-99-719233/2