In Uhingen (Kreis Göppingen) wird eine Rentnerin mit ihrem Rollator von einem Müllauto überrollt. Wenige Tage zuvor kommt ein Autofahrer ums Leben, weil er in der Nähe von Wurmberg (Enzkreis) während einer nächtlichen Panne angefahren wird. Und nur einen Tag vorher stirbt ein Mann bei einem Unfall auf der Bundesstraße 10 bei Göppingen, weil er von der Straße abkommt und gegen die Leitplanke prallt.
Drei Verkehrstote innerhalb weniger Tage kurz vor dem Jahresende. Drei von insgesamt 348 Menschen, die im vergangenen Jahr auf baden-württembergischen Straßen ums Leben gekommen sind. Das geht aus den jüngsten Zahlen hervor, die das Innenministerium am Montag vorgelegt hat.
Alle zwei Minuten geschieht demnach im Schnitt in Baden-Württemberg ein Unfall, jede Viertelstunde wird ein Mensch verletzt und fast täglich kommt ein weiterer ums Leben. Um 5,5 Prozent ist die Zahl der Verkehrstoten im Vergleich zum Jahr zuvor gestiegen (2020: 330). Sie hatte im Corona-Jahr 2020 allerdings auch den niedrigsten Wert erreicht seit Einführung der amtlichen Statistik, wie das Innenministerium betonte. Dennoch: Der bundesweite Trend sieht anders aus. In ganz Deutschland starben im vergangenen Jahr so wenige Menschen bei Verkehrsunfällen wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen.
Insgesamt wurden in Baden-Württemberg 273.875 Verkehrsunfälle von der Polizei aufgenommen (2020: 269.557, plus 1,6 Prozent). Bei neun von zehn Unfällen wurde niemand verletzt. Deutlich ist der Rückgang bei der Zahl der Schwerverletzten, sie sank im vergangenen Jahr um elf Prozent auf 6601.
Vor allem Motorrad- und Lkw-Fahrer machen Innenminister Thomas Strobl (CDU) Sorgen: »Fast die Hälfte unserer Verkehrstoten verzeichnen wir weiterhin im Zusammenhang mit Motorrad- oder Lkw-Unfällen«, ließ er mitteilen. Nach Angaben des Ministeriums war auch im Jahr 2021 jeder fünfte Verkehrstote mit dem Motorrad unterwegs, bei Unfällen mit Lastwagen starben zudem 83 Menschen, das sind neun mehr als im Vorjahr. Laut Statistik sind Lkw an fast jedem vierten tödlichen Unfall (24 Prozent) beteiligt.
Unfallursache Nummer 1 bleibt in Baden-Württemberg das zu hohe Tempo. In 35,3 Prozent der Unfälle ist Geschwindigkeit der Grund. 126 Menschen starben deshalb im vergangenen Jahr unterwegs (2020: 131). Die Polizei hatte bereits unter anderem ihre Kontrollen verstärkt, außerdem wurden mehr mobile »Blitzer« eingesetzt und der Bußgeldkatalog verschärft. »Hier geht es darum Menschenleben zu retten und schlimme Unfallfolgen zu verhindern - es geht nicht darum, Kasse zu machen«, betonte Innenminister Thomas Strobl (CDU), der wegen einer Corona-Infektion weiterhin behandelt wird.
Auch Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) forderte »klare Kante« bei Rasern und schmerzhafte Konsequenzen bei Verstößen. »Unser Ziel bleibt die Vision Zero. Null Tote und Schwerverletzte im Verkehr.«
Vor allem der Einsatz mobiler Messfahrzeuge, sogenannter Enforcement Trailer, hat die Zahl festgestellter Verstöße im vergangenen Jahr förmlich explodieren lassen: Im Vergleich zum Jahr 2020 verdreifachte sich der Wert auf rund 625.000. Die Trailer ähneln am Straßenrand abgestellten Anhängern. Die gepanzerten Anlagen können über längere Zeit ohne Personal betrieben werden. Insgesamt wurden durch die Polizei 2021 knapp 1,5 Millionen Verstöße festgestellt, hieß es vorab. Das sind rund 50 Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie waren bei der Vorlage der Bundesstatistik als Grund für den erneuten Rückgang der Zahlen in den meisten Sparten genannt worden. Die Entwicklung sei ausschließlich ein Effekt der Pandemie, hatte Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV), Ende Februar gesagt. Es seien bundesweit weniger Autos unterwegs gewesen. Zudem habe es vor allem im ersten Halbjahr 2021 kaum Urlaubsfahrten mit dem Auto gegeben. Lastwagen dagegen seien weiter unterwegs gewesen, dort stieg die Zahl der Unfalltoten auch an. "Sobald der Corona-Effekt nachlässt, kommen wir auch wieder zu den alten Unfallzahlen." Auch das Innenministerium sprach am Montag von einem "gewissen Corona-Effekt.
Außerdem wurden rund 27.000 Menschen angezeigt, weil sie sich ans Steuer gesetzt hatten, obwohl sie Alkohol getrunken, Drogen konsumiert oder Medikamente eingenommen hatten. Weitere 93.600 Autofahrer benutzten das Handy beim Fahren. Etwa 100.000 Mal fiel der Polizei zudem auf, dass Menschen in Autos nicht angeschnallt waren oder ihre Kinder nicht richtig gesichert hatten.
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