Logo
Aktuell Land

Erfolg für Antisemitismusbeauftragten im Twitter-Streit

Twitter hat einem Richterspruch zufolge einen zu großzügigen Umgang mit Hass und Hetze. Entsprechende Tweets müssen gelöscht werden. Die Entscheidung erstritt der Antisemitismusbeauftragte des Südwestens.

Twitter
Das Logo des sozialen Netzwerks Twitter ist an einem Gebäude der Firmenzentrale zu sehen. Foto: Jeff Chiu
Das Logo des sozialen Netzwerks Twitter ist an einem Gebäude der Firmenzentrale zu sehen.
Foto: Jeff Chiu

Der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte Michael Blume hat im Rechtsstreit gegen Twitter um die Verbreitung mutmaßlicher Falschaussagen größtenteils einen Erfolg erzielt. Betroffene können von der Plattform verlangen, dass falsche oder ehrverletzende Tweets über sie gelöscht werden, entschied das Landgericht Frankfurt am Mittwoch. Die Richter gingen aber noch einen Schritt weiter: So muss der Kurznachrichtendienst demnach auch kerngleiche Äußerungen entfernen, sobald er von den konkreten Persönlichkeitsverletzungen Kenntnis erlangt.

»Die Entscheidung zeigt: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum«, sagte die Vorsitzende Richterin Ina Frost. In dem Eilverfahren hatten Blume und die unterstützende Organisation HateAid Twitter vorgeworfen, für die Verbreitung von Verleumdungen mitverantwortlich zu sein.

Blume sagte in Stuttgart, seine unmittelbare Hoffnung sei, dass alle Betroffenen den Mut fassten, über das Thema zu reden. Inzwischen seien es Zehntausende Menschen, die Opfer von Hass und Hetze im Internet seien. »Das ist ewiges Stalking, das nie aufhört.« Ein Großteil der Opfer seien Frauen.

Konkret war in den Tweets laut Blume behauptet worden, dieser gehe fremd und er betrüge seine Frau mit Minderjährigen. Außerdem wurde dem Gericht zufolge verbreitet, er sei in »antisemitische Skandale« verstrickt und »Teil eines antisemitischen Packs«.

Laut der Gerichtsentscheidung sind diese »ehrenrührigen Behauptungen unwahr«. Die Bezeichnung als Antisemit sei zwar zunächst eine Meinungsäußerung, sie sei aber in dem gewählten Kontext rechtswidrig, denn sie trage nicht zur öffentlichen Meinungsbildung bei und ziele erkennbar darauf ab, Stimmung gegen Blume zu machen, hieß es.

Zudem entschied die Kammer, dass das Unterlassungsverbot nicht nur dann greife, wenn eine Äußerung wortgleich wiederholt werde, »sondern auch, wenn die darin enthaltenen Mitteilungen sinngemäß erneut veröffentlicht werden«. Das Gericht erklärte aber auch, dass Twitter keine allgemeine Monitoring-Pflicht mit Blick auf seine rund 237 Millionen Nutzer auferlegt werde. Eine Prüfpflicht bestehe nämlich nur hinsichtlich der konkret beanstandeten Persönlichkeitsrechtsverletzungen.

Darüber hinaus erachtete die Kammer die Äußerung eines Nutzers als zulässig, wonach der Antisemitismusbeauftragte in die jährlich vom Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles veröffentlichte Liste der größten Antisemiten weltweit aufgenommen worden ist. Unabhängig davon, ob dies gerechtfertigt sei, dürfe darüber informiert werden, hieß es. Dagegen müsse sich Blume im öffentlichen Meinungskampf zur Wehr setzen. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Der Anwalt von Blume erwartet nach eigener Aussage, dass Twitter in dem Eilverfahren Rechtsmittel beim Oberlandesgericht einlegt. Die gemeinnützige Organisation HateAid finanzierte nach eigenen Angaben die Klage von Blume. Bislang habe man 200 Menschen mit Prozesskosten unterstützt, teilte eine Sprecherin mit.

Erst im April hatte die Bundestagsabgeordnete Renate Künast (Grüne) vor dem Landgericht Frankfurt einen Streit mit dem Facebook-Konzern Meta um die Löschung von ehrverletzenden Falschzitaten gewonnen. Die Grünen-Politikerin hatte darauf geklagt, dass eine bestimmte Wort-Bild-Kombination - ein Meme - mit einem ihr untergeschobenen Falschzitat auf dem sozialen Netzwerk gesperrt wird. Betroffen von der Entscheidung waren auch Varianten dieses Memes mit kerngleichem Inhalt.

Mitteilung Hate Aid

© dpa-infocom, dpa:221213-99-888001/5