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CDU sucht in Böblingen nach verlorener Größe

Die drei Kandidaten für den Parteivorsitz präsentieren sich erstmals in Baden-Württemberg

Friedrich Merz (links), Jens Spahn und Annegret Kramp-Karrenbauer (rechts) mit den Karten, die zeigen, in welcher Reihenfolge si
Friedrich Merz (links), Jens Spahn und Annegret Kramp-Karrenbauer (rechts) mit den Karten, die zeigen, in welcher Reihenfolge sie bei der Regionalkonferenz in Böblingen reden werden. FOTO: DPA
Friedrich Merz (links), Jens Spahn und Annegret Kramp-Karrenbauer (rechts) mit den Karten, die zeigen, in welcher Reihenfolge sie bei der Regionalkonferenz in Böblingen reden werden. FOTO: DPA

BÖBLINGEN. Die Vorzeichen standen bei der Regionalkonferenz in Böblingen nicht besonders gut für Friedrich Merz. Er hatte der CDU vorgeworfen, die Wahlerfolge der Populisten mit einem »Achselzucken hingenommen« zu haben. Damit bot er seinen Mitbewerbern um den Parteivorsitz Angriffsfläche. Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn nutzten die Gelegenheit. »Viele Tausende CDU-Wahlkämpfer und Parteimitglieder haben sich dem Aufstieg der AfD entgegengestellt«, schimpfte Spahn in der Bild-Zeitung. »Solche Anschuldigungen seien ein Schlag ins Gesicht für alle, die jeden Tag gegen die Hetze der AfD kämpfen«, kritisierte Kramp-Karrenbauer im Vorfeld. Doch die drei nominierten Kandidaten wollten dem Vorwurf des persönlichen Streits in Böblingen ein anderes Bild entgegenstellen.

Den Anfang bei der Kandidatenrunde machte Jens Spahn. Der Gesundheitsminister stellte fest, dass die CDU viel Vertrauen verloren habe. Zum einen, weil viele Probleme nicht gelöst oder manche Themen nicht offen debattiert wurden. Spahn entwarf seine Zukunftsvision von Deutschland im Jahr 2040. Er wünsche sich ein Land, in dem Generationengerechtigkeit (Rente) herrsche, der Soli endlich abgeschafft wurde und in dem die Menschen »Lust auf Fortschritt« hätten.

»Nicht alle Positionen der Sozialdemokraten übernehmen«

Spahn sprach sich für einen »gesunden Patriotismus« aus und für ein Deutschland, in dem die Menschen zu ihren Werten stehen. Jeder, der mitmachen will, sei willkommen. Ganz im Gegensatz zu den »Spaltern der AfD«, die auf Abgrenzung setzen. Zugleich müsse man aber alles tun, damit diejenigen, die diese Werte nicht teilen, sich anpassen. Spahn hielt sich als einziger an die vorgegebene Redezeit von zehn Minuten.

Friedrich Merz begann seine Rede mit einem Lob an die Wirtschaftskraft Baden-Württembergs. Dann kam er direkt zur Sache. Die CDU habe als Volkspartei viel Vertrauen verloren und liege in Umfragen deutlich unter 30 Prozent. Dem müsse man sich mit aller Kraft entgegenstellen. Doch dafür sei es notwendig, dass man unbequemen Fragen nicht ausweiche. »Unserer Positionen sind nicht mehr klar genug«, kritisierte Merz. Natürlich sei es notwendig, sich mit der SPD auf Kompromisse zu verständigen. »Doch wir müssen nicht alle Positionen der Sozialdemokraten übernehmen«, rief er den Parteimitgliedern in Böblingen zu. Die Frage sei: »Wollen wir auch in Zukunft eine Partei sein, in der liberale, konservative und soziale Überzeugungen Platz haben?« Die CDU müsse weiterhin die Partei sein, die für Rechtsstaatlichkeit und Gesetzestreue stehe. »Wir dürfen es den Grünen nicht durchgehen lassen, dass sie einige Entscheidungen für den Ausstieg aus der Braunkohle mittragen und gleichzeitig bei gewalttätigen Demonstrationen im Hambacher Forst mitmarschieren.«

Merz spach sich für eine grundsätzliche Steuerreform aus, die Leistung belohne. Ein Rentensystem, das auch für die junge Generation gerecht ist und für ein starkes Europa, damit Deutschland nicht zum Spielball der Weltmächte werde. Merz erreicht die Herzen. Lauter Applaus, zahlreiche Mitglieder stehen sogar auf. Dass er die Redezeit auf 13 Minuten ausgedehnt hat, geht dabei unter.

Annegret Kramp-Karrenbauer begann ihre Rede mit einem Lob für Merkel. Die Kanzlerin habe durch ihre Entscheidung, auf den Parteivorsitz zu verzichten, erst den Raum geschaffen für die Debatten in der CDU. Auch sie will die CDU zu alter Stärke zurückführen. Im Gegensatz zu ihren Vorrednern hob sie nicht auf Steuern und Finanzen ab.

»Die Würde des Menschen ist unantastbar«

"Was mich umtreibt, ist nicht die Wirtschaftskraft oder der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, sondern dass ein chinesischer Forscher mit seinen Embryo-Versuchen Gott spielen will." Dem müsse man entgegentreten. »Die Würde des Menschen ist unantastbar«, sagte die Saarländerin. Kramp-Karrenbauer übte Selbstkritik. Es gebe zu viele Menschen, die sich in ihren Sorgen von der CDU nicht mehr verstanden fühlen. Dafür trage sie Mitverantwortung. "Da müssen wir besser werden. Das ist mein Versprechen", sagte AKK. Beim Thema Innere Sicherheit hob sie auf ihre Regierungserfahrung im Saarland ab. Als Beispiel führte sie die Alterskontrolle von Flüchtlingen an. "Im Saarland haben wir kontrolliert und 30 Prozent rausgefiltert, die älter als 18 Jahre waren." Es gebe genug Gesetze. "Was uns fehlt, ist der Mut sie anzuwenden."

Dann spach sie wieder das christliche Menschenbild an. »Ich will, dass dies gilt.« Dann werde die CDU als Volkspartei auch nicht zum Gemischtwarenladen verkommen. Die CDU müsse wieder eine Partei werden, die für ihre Werte brennt und die richtige Köpfe hat. Langer Applaus und ein kleiner Regelbruch: 14 Minuten Redezeit.

Dann die Fragerunde: Im Südwesten haben sie so viele Fragen wie bei keiner anderen Regionalkonferenz bisher. Das reicht von einer Amtszeitbegrenzung fürs Kanzleramt, Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer, dem Abbau der kalten Progression bis zur Flüchtlingskrise. Böblingen macht deutlich, in der CDU wird wieder debattiert und nach neuen Antworten gesucht. Das kommt an und bedient nach den Merkel-Jahren eine tiefe Sehnsucht der Mitglieder. Die Christdemokraten machen sich auf die Suche nach verlorener Größe. Ausgang offen. (GEA) Seite 4