STUTTGART. Neugründungen von Universitäten liegen in Baden-Württemberg lange zurück. 1966 wurde die Universität Konstanz gegründet, 1967 die Universität Ulm. Es waren die achte und neunte Universität im Land. Der Ministerpräsident hieß damals noch Hans Karl Filbinger (CDU). Nun möchte Manuel Hagel im März zum neuen Regierungschef des Landes gewählt werden. Und wenn es nach dem jungen Christdemokraten aus Ehingen an der Donau geht, dann wird Baden-Württemberg bald eine zehnte Universität bekommen.
Dies bekräftigte er erst jetzt wieder bei der Gesprächsreihe »Auf den Punkt« in der Landesmesse Stuttgart. Denn die Sorge um den Forschungs- und Bildungsstandort treiben ihn erkennbar um. »Wir sind in Baden-Württemberg bei der Bildung ins Mittelfeld abgerutscht«, beklagt Hagel. Deshalb müsse zum einen »der Fokus auf die frühkindliche Bildung gelegt werden«. Hagel: »Wir brauchen ein verpflichtendes letztes Kindergartenjahr, denn zu viele Kinder können kaum Deutsch reden, wenn sie in die Schule kommen.«
Zum anderen beschäftigt ihn die Frage, wie Baden-Württemberg die Forschungskompetenz bei der Künstlichen Intelligenz (KI) weiter stärken kann. Deshalb schlägt der 37-Jährige die Gründung einer zehnten Landesuniversität vor. Hagel sieht in der KI eine Schlüsseltechnologie, um die industrielle Produktion langfristig im Land zu sichern.

Ein möglicher Standort könnte in Heilbronn sein. Dort entsteht mit dem IPAI ein KI-Innovationspark. Kleine, mittlere und große Unternehmen, Start-ups, KI-Talente sowie Akteure des öffentlichen Sektors arbeiten an KI-basierten Softwareprodukten und -lösungen. Hintergrund war ein Wettbewerbsverfahren des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg. Die Stadt Heilbronn, die Stadtsiedlung Heilbronn GmbH, die Schwarz Gruppe und die Dieter Schwarz Stiftung konnten mit einem gemeinsamen Beitrag den Wettbewerb für sich entscheiden. Erst im Oktober 2025 war jetzt der Baustart für den ersten Bauabschnitt des IPAI-Campus nördlich von Neckargartach.
Hagel hofft: »Mit einer KI-Uni als Herzstück eines starken Clusters könnten wir einen Innovationsschub auslösen.« Doch seine Idee stößt nicht überall auf Gegenliebe. Kritiker führen vor allem die enormen Kosten an, die bei einer Neugründung entstehen. Ein Beispiel: Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder gründete 2020 in seiner fränkischen Heimatstadt Nürnberg eine neue Technische Universität. Das kostete den Freistaat 1,2 Milliarden Euro. Dementsprechend vorsichtig ist die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Petra Olschowski. »In den kommenden Jahren wird die große Herausforderung sein, dass wir Lehre und Forschung an den bestehenden Standorten weiterhin gut finanzieren, inhaltlich in Verbünden entwickeln und so qualitativ stärken«, sagt die Grünen-Politikerin.
Auch der seit 2024 amtierende Präsident der Landesrektorenkonferenz, Professor Michael Weber von der Universität Ulm, ist zurückhaltend. Baden-Württemberg verfüge schon heute »über das differenzierteste Hochschulsystem aller Bundesländer«. In der derzeitigen angespannten Finanzlage müsse man deshalb »intelligent und zukunftsorientiert« vorhandene Schwerpunkte stärken. Zumal die Universitäten des Landes eh um ihre Grundfinanzierung durch das Land für die Jahre 2026 bis 2030 in Sorge sind. Sie befürchten, dass die Hochschulen real mit erheblich sinkenden Mitteln rechnen müssen und es zu schmerzhaften Einschnitten kommen könnte.
Dabei betont Weber: »Universitäten sind einer der zentralen Motoren für die Zukunftsfähigkeit des Landes.« Seine Stellvertreterin Karla Pollmann (Uni Tübingen) rechnet zudem vor: »Auch ökonomisch macht sich jeder Euro, den das Land in seine Universitäten investiert, fünffach bezahlt.« Dies zeige eine aktuelle Studie der Universität München: Demnach erzielten die Universitäten Baden-Württembergs bei einem Landesnettomitteleinsatz von rund 1,6 Milliarden Euro eine Wertschöpfung von rund 7,8 Milliarden Euro.
Hagel bleibt deshalb im Angriffsmodus. Sollte er Nachfolger von Winfried Kretschmann werden, sei eine seiner ersten Amtshandlungen, in Baden-Württemberg »die weltweit erste volldigitale KI-Universität zu gründen«. Zumal man mit SAP und dem IBM-Großrechner in Ehningen zwei absolute Trümpfe im Land habe und in Heilbronn mit dem jüngst erfolgten Spatenstich für den IPAI-Campus eines der ambitioniertesten Technologieprojekte Europas an den Start geht. Angesichts der großen Transformation in der Automobilbranche brauche der Südwesten unbedingt eine neue Aufbruchstimmung. »Was Nordrhein-Westfalen bei den Zechen gelungen ist und Bayern bei Aerospace, das schaffen wir auch!«, sendet Hagel ein klares Signal an die KI-Szene und die Universitäten. (GEA)

