Wer vor Jahren bei unerlaubten Sportwetten Geld verloren hat, kann auf eine Rückerstattung der verspielten Wetteinsätze hoffen. Am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe ging es am Donnerstag um die Frage, ob ein Anbieter, der einst ohne erforderliche Lizenz in Deutschland Online-Sportwetten veranstaltete, die verlorenen Wetteinsätze eines Spielers zurückzahlen muss. Der Senat neige nach vorläufiger Einschätzung dazu, solche Verträge ohne sogenannte Konzession als nichtig anzusehen, auch wenn diese Lizenz schon beantragt worden war, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Koch zu Beginn der Verhandlung in Karlsruhe. Spieler könnten dann Anspruch auf eine Rückerstattung haben. Das Urteil soll am 25. Juli fallen.
In dem konkreten Fall hatte ein Mann von 2013 bis 2018 an Sportwetten des Anbieters Tipico teilgenommen und dabei mehr als 3700 Euro verloren, die er zurückverlangte. Seiner Ansicht nach waren die Sportwetten unzulässig und die Wettverträge unwirksam, weil der Anbieter nicht die erforderliche Erlaubnis der zuständigen deutschen Behörde hatte. Tipico hatte eine Konzession zwar beantragt, erhielt sie aber erst 2020.
Bislang hatte die Klage des Spielers keinen Erfolg. Das Landgericht Ulm argumentierte, Tipico habe zwar gegen Vorschriften des damaligen Glücksspielstaatsvertrags von 2012 verstoßen, die Wettverträge seien aber wirksam. Dass der BGH das anders sehen könnte, geht aus einem Anfang April veröffentlichten Hinweisbeschluss zu einem ähnlichen Fall hervor, der den Spielern den Rücken stärkte.
Unionsrechtliche Fragen?
Im Zentrum der Verhandlung stand am Donnerstag unter anderem die Frage nach einer Beurteilung des Falls nach europäischem Recht. Die Anwälte aufseiten von Tipico appellierten an den Senat, dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg die umstrittene Thematik vorzulegen. Der BGH hielt eine EuGH-Vorlage zu dem Thema bisher nicht für nötig. Die relevanten Fragen seien beantwortet, hieß es in dem Hinweisbeschluss vom April.
In dem aktuellen Fall sei aber auch eine EuGH-Vorlage denkbar, erklärte Richter Koch am Ende der Verhandlung. Es gebe Fragen, die in dem anderen Verfahren nicht vorgelegen hätten. Tipico-Anwalt Ronald Reichert zeigte sich daher nach der Verhandlung zufrieden. »Ich habe den Eindruck, dass der Senat ernsthaft erwägt, dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen und das war dasjenige, was wir für unbedingt erforderlich gehalten haben.«
Auch BGH-Anwalt Christian Rohnke hatte im Gerichtssaal betont, die Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten habe Tipico nur deshalb gefehlt, weil sie dem Unternehmen unionsrechtswidrig vorenthalten worden sei. Man müsse sich fragen, ob man den Anbieter dafür bestrafen könne, dass ihm die Lizenz zu unrecht nicht erteilt worden sei, und dieser trotzdem Spielwetten veranstaltete.
Urteil könnte Klagewelle lostreten
Käme es zu einem spielerfreundlichen Urteil des BGH, könnte das Fachleuten zufolge eine noch größere Klagewelle lostreten als ohnehin schon. Tausende ähnliche Verfahren laufen bereits an deutschen Gerichten. Das liegt auch daran, dass sich Kanzleien und einige Unternehmen auf diese Art von Klagen spezialisierten. Die Unternehmen vermitteln den Spielern Anwälte und übernehmen die Kosten der Rechtsverfolgung gegen eine Provision im Erfolgsfall. So auch das Unternehmen Gamesright, das in dem vorliegenden Fall dem Spieler seine Forderungen abgekauft hat und nun als Kläger gegen Tipico auftritt.
»Für uns war das heute ein voller Erfolg«, sagte Gamesright Co-Gründer Hannes Beuck nach der Verhandlung. »Der Senat hat sich sehr ausführlich geäußert und uns in eigentlich allen Punkten vorläufig recht gegeben.« Man hoffe auf ein schnelles Urteil und eine Leitsatzentscheidung, die es anderen Gerichten leichter mache, auf Linie des BGHs zu entscheiden. Wann der BGH eine Entscheidung verkündet, blieb zunächst offen.
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