Die Gegensätze könnten vor dem Aufeinandertreffen in Freiburg kaum größer sein: Bei Hertha BSC wurden nach dem Einstieg von Investor Lars Windhorst vor knapp drei Jahren große Pläne geschmiedet. Doch trotz Millionen-Investitionen in den von Windhorst zum »Big City Club« ernannten Hauptstadtverein stecken die Berliner wie schon in der vergangenen Saison im Abstiegskampf. Der SC Freiburg, der mit deutlich kleinerem Etat arbeitet, kämpft dagegen vor der Partie am Samstag (15.30 Uhr/Sky) um den Einzug in den Europapokal - was einmal das Ziel der Gäste war.
»Natürlich waren die Erwartungen riesig durch den neuen Investor, aber es heißt nicht immer, wenn man Geld hat, dass man das dann richtig platziert«, sagte SC-Trainer Christian Streich am Donnerstag zu den insgesamt 375 Millionen Euro, die Lars Windhorst mit seiner Tennor-Gruppe seit 2019 der Hertha hat zukommen lassen. »Mit dem Geld kommt eine relativ schnelle Erwartung und damit steigt auch der Druck auf die Verantwortlichen«, meinte Streich. Er könne sich vorstellen, dass es bei der Hertha gerade »richtig unruhig« sei.
Der 56-Jährige bevorzugt dagegen die »pragmatische und realistische« Art in Freiburg, für die auch das Management beim Sport-Club steht. Das machte Sportvorstand Jochen Saier am Sonntag in der Sendung »Doppelpass« bei Sport1 einmal mehr klar. Dabei konnte er sich einen Seitenhieb in Richtung des kommenden Gegners nicht verkneifen. »Wir versuchen, bei uns zu bleiben und keine verrückten Sachen zu machen. Es gibt genug Beispiele, dass die keinen Erfolg bringen«, erklärte Saier. »Man kann auch 300 Millionen investieren und es ist kein nachhaltiger Erfolg planbar.«
Die aktuelle Freiburger Mannschaft, die vor dem 24. Spieltag auf dem sechsten Tabellenplatz steht, habe dennoch »total hohe Ziele«. Und er habe auch nichts dagegen, wenn das einzelne Spieler öffentlich so formulieren. Die Verantwortlichen müssten das aber »abfedern«.
Windhorst kritisierte kürzlich heftig die Hertha-Führung, weil seine Investitionen noch keinen sportlichen Erfolg gebracht haben. Er wolle sich die hohen Investitionen »nicht verbrennen lassen«, sagte er dem Wirtschaftsmagazin »Capital«. Das Investment bezeichnete er dabei im Nachhinein als Fehler.
Viele Millionen haben die Berliner für Spieler ausgegeben. Auch der langjährige Freiburger Torwart Alexander Schwolow wollte in der Hauptstadt den berühmten nächsten Schritt machen - und brachte dem Sport-Club 2020 damit einen Transfererlös von immerhin rund sieben Millionen Euro ein. Jetzt steckt der 29-Jährige mit Hertha schon wieder im Abstiegskampf, während sein Ex-Verein oben mitspielt - auch weil er einen der besten Keeper der Liga hat.
Mark Flekken wurde 2018 für rund zwei Millionen aus der zweiten Bundesliga vom MSV Duisburg geholt und als Schwolows Nachfolger aufgebaut. Am Samstag wird er aber nicht auf seinen Vorgänger treffen, weil Schwolow wegen einer Corona-Infektion ausfällt. Das war bei Flekken zum Beginn der Rückrunde der Fall, in die Freiburg vielleicht auch deshalb durchwachsen gestartet war.
Nach dem 2:1 in Augsburg wollen die Breisgauer oben dran bleiben, auch wenn es Streich etwas moderater ausdrückt: »Wir können viel erreichen, wenn unsere Erwartungen nicht in den Himmel schießen.«
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