Die Stadt Baden-Baden steht vor einer spannenden Neuwahl: Rathauschefin Margret Mergen (CDU) tritt nach dem schlechten Abschneiden bei der Oberbürgermeisterwahl nicht mehr in der zweiten Runde an. Das kündigte sie am Dienstag an. Auch andere Kandidaten erwägen dem Vernehmen nach den Rückzug. Zugleich will zumindest eine weitere Kandidatin den Hut in den Ring werfen: Beate Böhlen, Bürgerbeauftragte des Landes Baden-Württemberg und erfahrene Grünen-Politikerin. Zum Erstaunen der Grünen-Fraktion vor Ort. Ihr Kandidat ist Baden-Badens Sozialbürgermeister Roland Kaiser (56).
Die Kandidatur Böhlens sei weder mit der Fraktion noch mit dem Ortsverband oder mit Kaiser abgesprochen, hieß es in einer Mitteilung der Fraktion. »Von daher ist diese Kandidatur für alle Beteiligten nicht nachvollziehbar.«
Mergen war bei der Wahl am vergangenen Sonntag auf 24,7 Prozent der Stimmen und damit nur auf Platz zwei gekommen. Vor acht Jahren hatte die 60-Jährige bei der Wahl noch 62,6 Prozent der Stimmen errungen. Sieger in der ersten Runde wurde nun Muggensturms Bürgermeister Dietmar Späth (parteilos) mit 39,6 Prozent. Grünen-Kandidat Kaiser landete mit 23,9 Prozent auf Platz drei. Die Wahlbeteiligung lag bei 41,82 Prozent. Da keiner der acht Kandidaten die absolute Mehrheit erreichte, muss am 27. März erneut gewählt werden. Dann genügt die einfache Mehrheit. Die Bewerbungsfrist endet an diesem Mittwoch (18.00 Uhr).
Mergen hatte ihren Verzicht am Dienstagmorgen zunächst auf Facebook und später auch persönlich mitgeteilt. Zuvor hatten das »Badische Tagblatt«, die »Badischen Neuesten Nachrichten« und der SWR darüber berichtet. In ihrer Erklärung auf Facebook schreibt Mergen: »Das Wahlergebnis am 13.3. hat mich überrascht. Mit diesem enttäuschenden Wahlergebnis hatte ich nicht gerechnet.« Ihre Leistungsbilanz - dazu zählt sie, dass Baden-Baden zur Welterbestadt geworden ist - habe offenbar keine Rolle gespielt. Dies müsse sie akzeptieren. Demokratie heiße auch, Wahlergebnisse anzunehmen und damit umzugehen. »Deswegen habe ich mich gemeinsam mit meinem Mann entschieden, im zweiten Wahlgang nicht mehr anzutreten«, so Mergen weiter.
Mergen, die auf 35 Jahre kommunale Erfahrung zurückblickt, will ihr Amt bis zum letzten Arbeitstag (9. Juni) ausüben. Ihr Abschneiden erklärt sie sich auch mit der Corona-Pandemie: »Man hatte Mühe, mit Menschen in Kontakt zu kommen.« Gleichzeitig habe Mitbewerber Späth offenbar mit einer massiven Wahlkampagne gepunktet, bei der unzählige Rosen in der Kurstadt verteilt worden seien.
Die Bürgerbeauftragte Böhlen, an die sich Baden-Württemberger seit Ende 2019 wenden können, wenn sie Probleme mit der Verwaltung haben, sieht auch andere Gründe für Mergens Ergebnis: »Sie war nicht bei den Menschen.« Böhlen ist seit fast drei Jahrzehnten in der Politik. Sie war 16 Jahre lang für die Grünen im Gemeinderat von Baden-Baden, davon 12 Jahre als Fraktionschefin. Im Landtag leitete sie acht Jahre den Petitionsausschuss. Die 55-Jährige verheiratete Mutter zweier erwachsener Kinder hat sich zur Kandidatur nach eigenen Angaben entschlossen, weil sie nach der Wahl am Sonntag viele angesprochen hätten. Sie will als unabhängige Kandidatin antreten und ist überzeugt: »Es muss ein Ruck durch Baden-Baden gehen.«
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