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Bühler Bürger kämpfen für Titel »Zwetschgenstadt«

Mitten in der Zwetschgensaison wird im badischen Bühl in diesem Jahr nicht nur über das Steinobst an sich gesprochen - sondern auch über seine Rolle für die Stadt und ihre Bewohner. Es geht um einen Titel. Und darum, dass der Gemeinderat anders entschieden hatte.

Zwetschgenernte in Bühl
Zwetschgen hängen bei Bühl an einem Baum. Foto: Patrick Seeger
Zwetschgen hängen bei Bühl an einem Baum.
Foto: Patrick Seeger

Bühler Bürger kämpfen um den offiziellen Titel »Zwetschgenstadt« für ihre Kommune, nachdem die Stimmen im Gemeinderat nicht für einen Antrag darauf reichten. Der Zunftmeister der Bühler Narrenzunft Narrhalla 1826, Michael Vetter, und Unterstützer wollen nun bis Ende September Unterschriften für ein Bürgerbegehren sammeln. Sie bräuchten rund 1650, sagte Vetter am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. »Wir gehen davon aus, dass wir das erforderliche Quorum deutlich überschreiten.« Zuvor hatte das »Badische Tagblatt« (Mittwoch) darüber berichtet.

Bei einer Abstimmung im Gemeinderat Ende Juni hatten zwar 17 Mitglieder für einen von der CDU eingereichten Antrag auf die offizielle kommunale Zusatzbezeichnung »Zwetschgenstadt« gestimmt. Das reichte aber nicht für die vom Land vorgeschriebene 75-prozentige Zustimmung: Drei Stimmen fehlten. »Dann führen wir den Begriff halt ohne offiziellen Titel«, kommentierte Oberbürgermeister Hubert Schnurr (parteilos) seinerzeit nach Angaben der Stadt.

Vetter und seine Mitstreiter wollen das nicht hinnehmen. Aus ihrer Sicht wäre die Abstimmung reine Formsache gewesen, wie Vetter sagte. »Was ich so wahrnehme, ist die Bevölkerung anderer Meinung.« Das soll die Unterschriftensammlung nun gewissermaßen überprüfen. Unter anderem wollen die Initiatoren dafür das traditionelle Zwetschgenfest am zweiten Septemberwochenende nutzen. Ziel sei es, den Gemeinderat zu einer Entscheidung im Sinne des Begehrens zu bewegen, so dass ein teurer Bürgerentscheid vermieden werde. Der koste um die 50.000 Euro.

Gegen den Antrag hatte die SPD-Fraktion gestimmt. Der angedachte Titel würde Bühl auf Zwetschgen reduzieren, die heutzutage bei weitem keine so große Bedeutung mehr hätten wie einst, sagte der Fraktionsvorsitzende Peter Hirn der dpa. »Bühl hat viel mehr zu bieten.« Hinter der Tradition rund um die Zwetschge in der rund 30.000-Einwohner-Stadt stehe er voll und ganz, betonte Hirn.

Dass es zu einem teuren Bürgerentscheid kommt, kann er sich nicht vorstellen, wie er sagt. »Wir sparen an allen Ecken und Enden.« Da komme das Thema eher erneut auf die Tagesordnung und wieder zur Abstimmung. »Wir müssen uns dann als Fraktion nochmal beraten«, sagte er. Ob er seine Meinung aufgrund des Drucks der Bürgerinnen und Bürger ändern wird, ließ Hirn offen.

Die nötigen Stimmen bei einer erneuten Abstimmung könnten auch von der Grün-Alternativen Liste (GAL) kommen. Drei GAL-Ratsmitglieder hatten sich bei der Sitzung Ende Juni enthalten. Fraktionschef Walter Seifermann reagierte zunächst nicht auf eine Anfrage.

Es gehe ihm nicht um Parteipolitik, betonte Vetter. »Aber wir sind die Zwetschgenstadt.« Das sei identitätsstiftend. »Es gibt für mich keinen Grund, die Chance nicht zu nutzen, so einen Antrag zu stellen.« Damit seien erstmal auch keine Kosten verbunden.

Um 1840 wurde die Bühler Frühzwetschge, eine blaue Frucht mit säuerlich-aromatischem Geschmack, nach Angaben der Stadt im Landkreis Rastatt erstmals entdeckt. »Die Zwetschgenproduktion entwickelte sich schnell zu einer der Haupteinnahmequellen Bühler Bürger.« Heute sei der wirtschaftliche Stellenwert im Vergleich zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark zurückgegangen. Auch werden inzwischen weit mehr Sorten angebaut. Der Zwetschge zu Ehren wird seit 1927 in Bühl das Zwetschgenfest als Erntedankfest gefeiert. Seitdem repräsentiert auch eine Zwetschgenkönigin die blaue Frucht in der Region.

Dass es die Diskussion überhaupt gibt, liegt an einer Änderung der baden-württembergischen Gemeindeordnung Ende 2020: Der Landtag hatte damals die bis dato zurückhaltende Praxis bei Zusatzbezeichnungen für Kommunen gelockert. Für die Gemeinden im Land ist es seither viel leichter möglich, neben dem Gemeindenamen eine sonstige Bezeichnung zu führen. Vorher war das vor allem Kurorten, die den Zusatz »Bad« bekommen konnten, und Universitätsstädten vorbehalten.

Seit diesem Jahr darf sich beispielsweise Calw ganz offiziell als »Hermann-Hesse-Stadt« bezeichnen. Markgröningen (Landkreis Ludwigsburg) trägt den Titel »Schäferlaufstadt« und Furtwangen im Schwarzwald (Schwarzwald-Baar-Kreis) das Prädikat »Donauquellstadt«.

Bericht des »Badischen Tagblatts«

Mitteilung zur Abstimmung im Gemeinderat

Infos des Innenministeriums zu Zusatzbezeichnungen von Orten

Infos über die Bühler Zwetschge

© dpa-infocom, dpa:220817-99-416459/3