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Azubis dringend gesucht: Verbände wünschen Imagewandel

Früher mussten junge Leute ihre Lehre bis zu eineinhalb Jahren vor Schulabschluss eintüten. Jetzt ist der Bewerbermangel so groß, dass auch kurz vor dem Ausbildungsjahr noch Schnäppchen zu haben sind.

Laut, schmutzig, körperlich anstrengend - so stellen sich viele Eltern und ihre Kinder nach Ansicht von Verbänden die Ausbildungsberufe in Handwerk, Industrie und Handel vor. Im Zeitalter der Digitalisierung und des hohen Bedarfs an Fachkräften in IT- und Umwelttechnik sei dies ein Klischee, sagte der Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar, Manfred Schnabel, am Montag. Derzeit gebe es kurz vor Beginn des Ausbildungsjahres im September noch 4000 unbesetzte Lehrstellen im Kammerbezirk. »Gebt euch einen Ruck, bewerbt euch jetzt«, rief er den jungen Leuten in Mannheim zu.

Nach Schnabels Worten ist ein Bewusstseinswandel in Schule und Gesellschaft unverzichtbar, um Angebot und Nachfrage wieder ins Lot zu bringen. Insbesondere in den Gymnasien sehe er wenig Engagement, den jungen Menschen Alternativen zum Studium aufzuzeigen. Es sei bedauerlich, dass kaum ein Lehrer einen Betrieb von innen gesehen habe. Von der Politik verlangt er ein Ende der Diskussion über eine Dienstpflicht, ein obligatorisches Jahr im Dienste der Gesellschaft nach der Schule. Den Betrieben gehe damit ein kompletter Ausbildungsjahrgang verloren.

Schnabel sagte: »Gerade bei den Mint-Berufen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik ist der Mangel an Fachkräften und an Auszubildenden schon seit Jahren sehr groß.«. So seien Ende Mai im landesweit zweitgrößten IHK-Bezirk 575 gewerblich-technische Ausbildungsverträge vereinbart worden, gut 10 Prozent weniger als im Vorjahr. Hingegen stieg die Zahl im kaufmännischen Bereich leicht.

Das Handwerk sieht beste Chanen für Nachwuchskräfte: Laut dem Präsident der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald, Klaus Hofmann, suchen bundesweit 12 500 Handwerksbetriebe, davon 1650 im Südwesten, in den kommenden fünf Jahren einen Nachfolger. Mit rund 512 vakanten Lehrstellen liege das Niveau deutlich über dem der Vor-Corona-Zeit von 278.

Gerade bei den Mädchen gibt es nach Überzeugung von IHK und Handwerkskammer großes Potenzial. Dafür wäre aber mehr praxis- und anwendungsorientierter Unterricht an den Schulen nötig, sagt Claudia Orth, Bildungsexpertin der Handwerkskammer. Es sei bedauerlich, dass Friseurin seit 30 Jahren der beliebteste Ausbildungsberuf für Mädchen sei. Der mit einem Einstieg in »Männerberufe« emanzipatorische Anspruch »Wir schaffen das auch« sei ins Hintertreffen geraten. Im Jahr 2021 hatte im Handwerkskammerbezirk die Zahl der Vertragsabschlüsse mit jungen Frauen bei 312, mit jungen Männern bei 1331 gelegen.

IHK Rhein Neckar

Initiative »Das isses«

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