Den Kolonialismus und seine Einflüsse auf die Menschen in der Stadt arbeitet das Augustinermuseum in Freiburg den Angaben nach in einer der ersten Ausstellungen dieser Art in Deutschland auf. Dabei blicken die Organisatoren nicht nur zurück in die Zeit von 1884 bis 1919, als sich das deutsche Kaiserreich Gebiete in Afrika, Asien und Ozeanien angeeignet hatte. Die Schau »Freiburg und Kolonialismus: Gestern? Heute!« will auch beleuchten, wie sehr sich beispielsweise Vorurteile bis ins Hier und Jetzt gehalten haben.
Fast ein Jahr - bis zum 11. Juni 2023 - können sich Besucher und Besucherinnen von diesem Samstag an einen Eindruck von den kolonialen Verflechtungen der Stadt verschaffen: Einige Freiburgerinnen und Freiburger waren den Angaben nach unmittelbar als Kolonialbeamte im damaligen Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, »aktiv an der Unterdrückung und Ausbeutung der dort lebenden Menschen beteiligt«.
Andere besuchten sogenannte Völkerschauen in Freiburg oder erlabten sich an Kaffee, Tee, exotischen Früchten und Baumwollkleidung. »Wissenschaftler der Freiburger Universität nutzten die koloniale Infrastruktur für ihre Forschung«, heißt es bei der Stadt. Professoren hätten rassistische Inhalte in ihren Vorlesungen für das städtische Bildungspublikum verbreitet. Das heutige Museum Natur und Mensch, ehemals Museum für Natur- und Völkerkunde, habe nach seiner Gründung im Jahr 1895 einen Großteil seiner Objekte aus den deutschen Kolonien erhalten - teils unter Anwendung von Gewalt. Die Macher kommen zu dem Schluss, somit habe Freiburg zu jener breiten Basis gehört, die den Kolonialismus getragen und ermöglicht habe.
Die Ideologie des deutschen Kolonialismus wirke bis heute, heißt es in der Mitteilung. Die Ausstellung will deutlich machen, dass rassistisches Denken, Sprechen und Handeln bis weit in das 20. Jahrhundert hinein zum Alltag gehörten, dass Vorurteile und abwertende Verhaltensmuster gegenüber Menschen außereuropäischer Herkunft unbewusst oder sogar bewusst über Generationen hinweg weitergegeben wurden. »Die Schau zeigt, dass wir auch heute noch umgeben sind von Spuren der Kolonialzeit und dass Rassismus und Ausbeutung - anders als viele annehmen - noch immer alltäglich sind.« So solle sie auch dazu anregen, das eigene Handeln zu hinterfragen.
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