Auf Friedhöfen im Südwesten werden wegen der zunehmenden Zahl der Urnenbestattungen immer mehr Flächen frei - die Kommunen und Friedhofsverwaltungen lassen sich inzwischen einiges einfallen, um damit sinnvoll und auch nachhaltig umzugehen. Trauerwege, insektenfreundliche frühere Grabfelder, sogar Spielplätze werden angelegt, um ungenutzte Grabflächen im Sinne des Wortes wieder mit Leben zu füllen. Denn Erdbestattungen, die viel Grabplatz brauchen, sind ziemlich out, auch bundesweit. Dafür steigt seit vielen Jahren die Zahl der Feuerbestattungen kontinuierlich - und Urnengräber brauchen weniger Platz.
Freiburg etwa rechnet damit, dass bis zum Jahr 2030 nur noch 60 Prozent der heutigen Fläche für Gräber genutzt werden und denkt über Erholungsflächen nach. Seit Jahren etwa legt die Stadt Karlsruhe auf ihren 24 Stadtteilfriedhöfen und dem Hauptfriedhof naturnahe Bereiche und Felder an, realisierte eine Anlage für trauernde Kinder mit Spielplatz oder gestaltete einen Lebensgarten. Auch Bienenstöcke würden aufgestellt und viel Wert auf Artenschutz und Pestizid-Verzicht gelegt, sagt ein Stadtsprecher.
In Tübingen werden unter anderem Bäume gepflanzt, wertvolle Magerwiesen sind entstanden und Totholzstapel für Tiere wurden angelegt auf früheren und nun nicht mehr genutzten Gräbern, wie eine Stadtsprecherin erläutert. In Stuttgart wurde wegen der Problematik inzwischen eine sogenannte Friedhofsentwicklungskonzeption in Auftrag gegeben. »Erste Ergebnisse werden bis Mitte 2023 erwartet«, sagt eine Stadtsprecherin. Für alle Friedhofsflächen sei derzeit eine »allumfassende Friedhofsentwicklungsplanung in Vorbereitung«, sagt auch ein Sprecher der Stadt Pforzheim.
Die Stadt Ladenburg stellt ebenfalls fest, dass die Zahl freier Flächen wächst und setzt nach Worten einer Sprecherin auf eine Doppelstrategie, um Flächen dennoch nutzen zu können: Einerseits gibt es inzwischen die Möglichkeit, sich mit seinem Haustier bestatten zu lassen und auch ein muslimisches Grabfeld ist angedacht. Andererseits soll der Friedhof mit seinen vielen Freiflächen allmählich in einer parkähnliche Anlage verwandelt werden. Einst reservierte Erweiterungsflächen würden nicht mehr benötigt, sagt die Sprecherin. Stattdessen sollen diese in Wohnflächen umgewandelt werden. »Eine entsprechende Änderung des Bebauungsplans ist in Vorbereitung.«
Die Konzepte müssen nach Ansicht von Frank-Michael Littwin vom Landesverband der Friedhofsverwalter Deutschlands gut durchdacht sein. »Denn aus aufgegebenen Gräbern ergibt sich oft keine zusammenhängende Fläche.« Außerdem müssen viele Kommunen ihre Grabgebühren anpassen, die sich früher nach der Grabfläche richteten - ein System, das inzwischen nicht mehr sinnvoll erscheint.
Je nach dem wohin die Reise geht, »könnte es passieren, dass es irgendwann mehr Freiflächen als Gräber gibt«, sagt Littwin. Wenn zudem noch die Regel abgeschafft werden sollte, dass Urnen nicht mehr auf Friedhöfe müssen, sondern zu Hause aufbewahrt werden dürfen - »dann haben wir noch mehr Platz«, sagt er. »Die Frage ist generell, wie gehen wir pietätvoll mit dem Platz um?«
Das neue Magazin des Bundesverbandes Deutscher Bestatter geht in seiner Juli-Ausgabe genau dieser Frage nach: In Zeiten von Klimakrise und nach Grün und Natur lechzenden Städten könnten Friedhöfe Oasen der Ruhe für gestresste Städter werden. Und neben Spielplätzen könnte doch auch Urban Gardening, Kulturführungen oder Cafés sinnvoll sein, heißt es darin: »Warum nicht?«.
Deutscher Städte- und Gemeindebund zum Thema »Zukunft kommunaler Friedhöfe«
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