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Ansiedlungskampf: Furcht vor Abstieg im globalen Wettbewerb

Baden-Württemberg ist ein reiches Land. Damit das so bleibt, will der Südwesten mehr Fördergelder der EU abgreifen und Unternehmen anlocken. Ganz so einfach ist das nicht.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne)
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) spricht bei einer Pressekonferenz. Foto: Marijan Murat
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) spricht bei einer Pressekonferenz.
Foto: Marijan Murat

Die Landesregierung fürchtet im internationalen Standortwettbewerb abgehängt zu werden. Bei einer auswärtigen Kabinettssitzung in Brüssel pochte das Kabinett von Ministerpräsident Winfried Kretschmann auf mehr Fördergelder aus EU-Töpfen für das Autoland Baden-Württemberg. Außerdem forderte es größere rechtliche Spielräume, um selbst Unternehmensansiedlungen finanziell unterstützen zu können. »Wir müssen unsere Wettbewerbsfähigkeit wieder stärker in den Blick nehmen«, sagte der Grünen-Politiker Kretschmann.

Man habe in Brüssel ein Positionspapier dazu überreicht, sagte Kretschmann. Die sogenannten Beihilferegeln der EU müssten vereinfacht und flexibler gestaltet werden, forderte der Regierungschef. Das Land wolle da zeitnah konkrete Vorschläge unterbreiten. Hintergrund: Staatliche Beihilfen, also Subventionen, die ein EU-Mitgliedstaat einzelnen Unternehmen gewährt, können den freien Wettbewerb verfälschen. Grundsätzlich sieht das EU-Recht daher ein Verbot staatlicher Beihilfen vor. Kretschmann sagte jedoch, es sei wichtig, dass Transformationsregionen wie Baden-Württemberg die Möglichkeit erhielten, die Ansiedlung innovativer Unternehmen in Europa zu unterstützen.

Hintergrund ist auch die aktuelle Subventionspolitik der USA. Der sogenannte Inflation Reduction Act (IRA) sieht milliardenschwere Investitionen in den Klimaschutz vor, knüpft Subventionen und Steuergutschriften aber daran, dass Unternehmen US-Produkte verwenden oder selbst in den USA produzieren - was in Europa Sorge vor Wettbewerbsnachteilen auslöst.

Im Fokus der EU stehe zwar die Unterstützung schwacher Regionen, aber auch Wirtschafts- und Innovationszentren wie Baden-Württemberg müssten gefördert werden, sagte auch der für Europa zuständige Staatssekretär im Staatsministerium, Florian Hassler (Grüne). »Die Lokomotiven werden weiter gebraucht.« Der Automobilsektor im Südwesten stehe vor besonderen Herausforderungen. Derzeit habe das Land aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht die Möglichkeit, Unternehmen bei der Ansiedlung zu unterstützen. Hassler spricht von »präventiver Strukturpolitik«.

Zwar könne strategisch bedeutsame Industrie im Rahmen der sogenannten »Important Projects of Common European Interest« (IPCEI) gefördert werden, aber das dauere oft recht lange - manchmal zwei, drei Jahre, sagte Hassler. Die Kommission habe dem Land in Brüssel aber signalisiert, die Zeit zu halbieren.

»Die globalen Rahmenbedingungen haben sich dramatisch verändert«, betonte Peer-Michael Dick, Hauptgeschäftsführer der Unternehmer Baden-Württemberg (UBW). Der Verband forderte bessere Standort- und Investitionsbedingungen in Deutschland und Europa. »Da gibt es noch enorm viel Luft.« Vergeltungsmaßnahmen wie Zölle oder »Buy-European«-Regelungen würden hingegen einen Handelskonflikt heraufbeschwören. Die EU-Förderung müsse erleichtert werden. »Wenn andere Staaten und Regionen ihre heimischen Unternehmen massiv fördern, müssen wir dem etwas entgegensetzen. Und das muss auch schneller und einfacher werden, um unsere Firmen wettbewerbsfähig zu machen«, betonte Dick.

Die AfD hingegen kritisierte Kretschmann für eine »verfehlte Transformation« der Automobilindustrie. »Die Fokussierung ausschließlich auf die E-Mobilität ist nicht zielführend«, sagte Fraktionschef Anton Baron.

© dpa-infocom, dpa:230206-99-496308/5