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Angeschmiert: Städte im Kampf gegen illegale Graffitis

Graffitis prangen in Unterführungen, an Schallschutzwänden oder Hausmauern. Erwünscht sind sie meist nicht. Sachbeschädigungen durch die Werke aus der Spraydose haben in Baden-Württemberg zugenommen.

Graffiti
Der Satz »Überall Polizei Nirgens Gerechtigkeit« ist in einer Unterführung an eine Wand gesprüht. Foto: Marijan Murat/Archivbild
Der Satz »Überall Polizei Nirgens Gerechtigkeit« ist in einer Unterführung an eine Wand gesprüht. Foto: Marijan Murat/Archivbild

STUTTGART. Wer Graffitis sprüht, erntet selten öffentlichen Ruhm. Street-Art-Künstler Banksy, der mit seinen Werken auf Mauern und Wänden weltweit Furore macht, ist eine der wenigen Ausnahmen. Grundsätzlich aber ist das Sprayen auf nicht genehmigten Flächen eine Straftat. 2018 sind die Sachbeschädigungen durch Graffitis im Südwesten auf rund 9700 Fälle angestiegen, wie das Innenministerium mitteilte - knapp 600 mehr als 2017. Seit sieben Jahren hat es nicht mehr so viele Delikte gegeben. Allerdings stieg auch die Aufklärungsquote um 2 Prozent auf 17,9 Prozent.

Laut Ministerium liegen die Schwankungen der Fallzahlen unter anderem daran, dass es sich bei Sachbeschädigungen durch Graffitis oft um Serienstraftaten handelt - unregelmäßig führt das zu regionalen Häufungen der Delikte. Zudem sorgten spezielle Präventionsprojekte in Kommunen dafür, dass die Delikte häufiger angezeigt würden.

So unterstützte die Stadt Freiburg 2018 nach eigenen Angaben Privateigentümer bei der Säuberung ihrer Häuser mit insgesamt rund 22 700 Euro. Im Jahr zuvor hatte die Kommune entschieden, Reinigungskosten zu übernehmen, wenn Betroffene rasch Anzeige erstatten. Das ließ laut Stadtverwaltung die bei der Polizei registrierten Fallzahlen mit in die Höhe schnellen. Weitere 238 000 Euro gab die Kommune 2018 aus, um illegale Graffitis von städtischen Gebäuden entfernen zu lassen.

Doch bisweilen trägt das Deliktfeld Graffiti Züge eines Katz-und-Maus-Spiels. »Am neuen Radweg an der Dreisam war der Beton noch nicht richtig trocken, da war er schon wieder beschmiert«, ärgert sich Kai Lebrecht vom Verein Sicheres Freiburg. Der Verein organisiert regelmäßig einen »Aktionstag Anti-Graffiti«, der nächste ist am 11. Mai.

Hausbesitzer können dann kostenlos Graffitis entfernen und überstreichen lassen. Malerbetriebe und Schulen engagieren sich ehrenamtlich und säubern wechselnde Viertel. Denn laut Verein haben die Kritzeleien an urbanen Fassaden mit Kunst nichts zu tun. Im Gegenteil führten Vandalismus und illegale Graffitis dazu, dass sich ein Teil der Bevölkerung im öffentlichen Raum unsicher fühle.

Die Sprayer-Szene sieht das naturgemäß anders. Für sie sind solche Graffitis laut Kulturwissenschaftlerin Juli Reinecke keine Schmierereien. Sondern es handele sich um das sogenannte Taggen: Die Sprayer platzieren mit einzelnen Linien ihr Pseudonym - möglichst häufig. »Dabei geht es darum, den eigenen Namen in der Stadt zu verbreiten, und um den Drang, gesehen zu werden«, sagt Reinecke. Sprühen auf legalen Flächen gelte dabei als weniger cool.

In Pforzheim und im Enzkreis setzt das »Anti-Graffiti-Mobil« auf den erzieherischen Effekt: Handwerker entfernen die Graffitis auf Antrag kostenlos - gemeinsam mit erwischten Sprayern. »Die Täter lernen so den Bezug zu fremdem Eigentum«, sagt Volker Weingardt, Graffiti-Sachbearbeiter im Pforzheimer Haus des Jugendrechts. Durch die aufgebrummten Arbeitsstunden würden zudem meist ein Gerichtsverfahren, ein soziales Abdriften der Jugendlichen und hohe Regressforderungen vermieden.

Auch in Tübingen hatte die Stadtverwaltung genug von den Graffitis in einer Unterführung, die unzählige Male besprüht wurde und wieder gereinigt werden musste. Der Schaden lag nach Worten von Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) im sechsstelligen Bereich; eine Belohnung von 2500 Euro wurde ausgesetzt. Bislang seien erst drei Hinweise eingegangen.

Dabei können sich Sprayer in Tübingen und anderen Städten auch legal auf genehmigten Flächen austoben - und nicht immer finden sie das Erlaubte zwangsläufig uncool. Außerdem gebe es einen Unterschied zwischen den »Tags« der meist jugendlichen Sprüher und »Street Art«, erklärt Kulturwissenschaftlerin Reinecke: Bei letzterer wollen die Künstler über ihre Motive beispielsweise (politische) Botschaften vermitteln und auch mit Menschen jenseits ihrer Szene kommunizieren. Und dabei geht nicht nur um Reviermarkierung. »Die Bilder sollen auch schön sein - sodass die Leute sie nicht wegmachen wollen«, sagt Reinecke. (pol)

Anti-Graffiti-Mobil Pforzheim

Sicherheitsbericht 2018

Solidarmodell Anti-Graffiti Freiburg