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Al Capone und die Sache mit der Kuscheljustiz

Ein Schäferhund unter Sträflingen: Al Capone ist ein ganz besonderer Bewährungshelfer auf vier Pfoten. Er zeigt, warum ein Tier manchmal der bessere Therapeut sein kann.

Al Capone
Sabine Kubinski, die Hundeführerin des Schäferhunds Al Capone. Foto: Nico Pointer
Sabine Kubinski, die Hundeführerin des Schäferhunds Al Capone.
Foto: Nico Pointer

Auch wenn er nach einem Gangsterboss benannt wurde, ist Al Capone ein recht freundlicher, aufgeweckter Geselle. Er schnüffelt in der Gegend rum, blickt neugierig in alle Richtungen und springt auch mal mit wedelndem Schwanz an Leuten hoch, die er mag. Der zweijährige Schäferhund mit dem wuschigen Fell lädt praktisch zum Streicheln und Schmusen ein. Aber wenn es ihm zu viel wird, knurrt er auch mal. Das sei auch so gewollt, sagt die Hundeführerin Sabine Kubinski. Schließlich hat Al Capone mit eher schwierigem Klientel zu tun. Er arbeitet mit Mördern und Sexualstraftätern zusammen - kein leichter Job.

Al Capone hat vor kurzem erst eine Weiterbildung zum Coach absolviert, um Straffälligen die Rückkehr ins Leben zu erleichtern. Es handle sich um den ersten Zertifikatskurs dieser Art, sagt seine Hundeführerin Kubinski vom Stuttgarter Verein PräventSozial bei einem Pressetermin am Montag in Stuttgart. Al Capone gehöre damit zu den Pionieren eines bundesweit einzigartigen Programms.

Die Straffälligen absolvieren mit dem Vierbeiner in den Sitzungen etwa einen Hindernisparcours, machen Hundesport, Gerätearbeit, navigieren Al Capone um Hütchen. Es gehe dabei um den Aufbau von Vertrauen, erklärt Kubinski. »Der Hund wirkt als Türöffner.«

Der Fokus liegt auf Straftätern, die Beziehungsabbrüche erlebt haben, unsicher sind, wenn es um Bindungen geht. Al Capone lässt Nähe und Körperkontakt zu, sagt Kubinski. Von Kuscheljustiz könne aber keine Rede sein. Der fellige Therapeut fordere viel Fokus und Konzentration von seinem Gegenüber ein.

Der Hund wirkt als Gradmesser für die Beziehungsfähigkeit des Klienten. Al Capone nimmt über die Haltung und die Körperspannung die Stimmung seines Gegenübers wahr. Und wenn ihm die nicht passt, dann vermittelt er das auch klar und wertfrei. Der Behandelte nimmt dem Hund die ehrlichen und unmittelbaren Reaktionen in der Regel nicht übel.

Wenn Al Capone nicht kooperativ sei, wisse sie schnell, dass etwas mit ihren Klienten nicht stimme, sie vielleicht einen schlechten Tag hätten, sagt Kubinski. Wenn Al Capone nicht im Mittelpunkt stehe, dann streikt er auch mal. Zwei bis drei Einsätze hat der Schäferhund pro Woche.

Ganz wichtig bei der Hundetherapie: »Die Vergangenheit spielt keine Rolle - es geht nicht darum, was der Mensch gemacht hat.« Tiere wie Hunde, Pferde, Rinder und auch Tauben werden seit Jahren vor allem in den Justizvollzugsanstalten Adelsheim, Bruchsal, Freiburg und Ravensburg (Außenstelle Bettenreute) für Therapien eingesetzt.

»Wenn herkömmliche Therapien nicht mehr greifen, schafft manchmal ein Tier den entscheidenden Durchbruch«, sagt Justizministerin Marion Gentges (CDU) der dpa. Die tiergestützte Intervention mit Al Capone sei ein Ansatzpunkt, um schwerwiegende Störungsbilder bei Straftätern anzupacken. »Dabei gilt jedoch: Al Capone ist kein süßer Zeitvertreib, sondern Bestandteil einer anstrengenden Therapie, an der die Verurteilten aktiv mitarbeiten müssen.« Es gehe darum, die Allgemeinheit durch eine erfolgreiche Resozialisierung zu schützen.

© dpa-infocom, dpa:220425-99-39757/3