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AKW-Rückbau stärker verzögert als Weiterbetrieb

Die EnBW organisiert seit Jahren das Ende des Atomzeitalters. Nun machen ihr die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine einen Strich durch die Rechnung - nicht nur, was den Betrieb der Meiler angeht.

Kernkraftwerk Neckarwestheim
Das Kernkraftwerk Neckarwestheim. Foto: Bernd Weißbrod
Das Kernkraftwerk Neckarwestheim.
Foto: Bernd Weißbrod

Die verlängerte Laufzeit für das Atomkraftwerk (AKW) Neckarwestheim II verzögert die Rückbaupläne des Betreibers EnBW erheblich. Es gehe um mehr als die dreieinhalb Monate, die der Meiler im Landkreis Heilbronn länger am Netz bleiben soll, sagte der Geschäftsführer der Kernkraftsparte, Jörg Michels, am Montag in Karlsruhe. Die Verzögerung betrage voraussichtlich mehrere Monate, eventuell sogar deutlich mehr als ein Jahr, sagte er. Die EnBW versucht, ihre Meiler binnen 10 bis 15 Jahren zurückzubauen.

Das plane sie rund zehn Jahre im Voraus, sagte Michels. Der Konzern beauftrage Firmen, die zum Beispiel Personal und Equipment stellten, mache Verträge und vereinbare Terminfenster. Das alles werde nun Schritt für Schritt neu organisiert. Allerdings seien die Unternehmen ebenso bei anderen Kunden - auch im Ausland und auch bei laufenden Meilern - im Einsatz, so dass vereinbarte Termine nicht einfach um dreieinhalb Monate verschoben werden könnten. Jeden Monat im Betrieb fielen laufende Kosten von mehr als einer Million Euro an.

Weiterbetrieb und Umplanung führten zu enormen Aufwänden, sagte Michels. Aber: »Es geht hier nicht um wirtschaftliche Aspekte. Es geht hier um Versorgungssicherheit, um Netzstabilität.«

Eigentlich war geplant, dass Neckarwestheim II und Isar 2 in Bayern sowie der Meiler Emsland in Niedersachsen als letzte drei in Deutschland noch laufende AKW zum Jahresende vom Netz gehen. Um die Energieversorgung in Deutschland infolge des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine zu sichern, sollen sie nun bis spätestens Mitte April 2023 am Netz bleiben und Strom produzieren.

In Neckarwestheim wird Block II dazu am 31. Dezember heruntergefahren und dann für zwei bis drei Wochen stillstehen. In der Zeit werden die rund 200 Brennelemente neu zusammengesetzt. Das soll nach dem Wiederhochfahren bis Mitte April eine Stromproduktion von bis zu 1,7 Milliarden Kilowattstunden gewährleisten. Ohne die neue Konfiguration wäre nur etwa ein Drittel dessen möglich, verdeutlichte Michels.

Im Block I hatte die Stromproduktion schon im Jahr 2011 geendet, nachdem die Bundesregierung infolge der Nuklearkatastrophe von Fukushima den Atomausstieg in Deutschland beschlossen hatte. Er war 1976 in Betrieb gegangen. Block II ging 13 Jahre später ans Netz.

Um Neckarwestheim II über den 15. April hinaus betreiben zu können, müssten die Pläne jetzt von der Politik beschlossen werden, machte Michels deutlich. Es müssten dann neue Brennelemente besorgt werden, eine Großrevision des Kraftwerks sei nötig und es müsste Personal ausgebildet werden. Da könne man nicht nächstes Jahr einfach sagen, die Atomlaufzeit werde nochmal verlängert, betonte Michels. »Das ist illusorisch. Das funktioniert so nicht.« Insbesondere die FDP stellt immer wieder den Atomausstieg im Frühjahr infrage.

Infos über Kernkraftwerk Neckarwestheim

© dpa-infocom, dpa:221212-99-870793/5