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Aktuell Ba-Wü-Check

Wie die Bürger die neue Landesregierung finden

CDU und Grüne haben nach der Landtagswahl im März ihr Regierungsbündniss neu aufgelegt. Die Koalition steht nun mit der Coronapandemie und der Klimakrise vor großen Herausforderungen. Doch wie beurteilen eigentlich die Bürger im Ländle die neue Landesregierung? Die baden-württembergischen Zeitungsverleger haben dazu Umfragen gestartet. Die Ergebnisse gibt's hier.

Sitzung Landtag Baden-Württemberg
Der Landtag in Baden-Württemberg. Foto: dpa/Gollnow
Der Landtag in Baden-Württemberg.
Foto: dpa/Gollnow

REUTLINGEN. Nach der Landtagswahl im März, aus der die Grünen erneut als stärkste Kraft hervorgegangen waren, einigten sich die beiden bisherigen Regierungsparteien Grüne und CDU auf eine Fortsetzung ihres Regierungsbündnisses. Die neue Regierung steht vor allem vor der Herausforderung, ihre ambitionierten Ziele, vor allem im Bereich des Klimaschutzes, trotz der angespannten Haushaltslage durchzusetzen. Die aktuelle Untersuchung des Baden-Württemberg-Monitors der baden-württembergischen Zeitungsverlage zieht eine erste Bilanz, wie die Bürger die neue grün-schwarze Landesregierung bewerten, wie bekannt und beliebt die neue Ministerriege ist und welche landespolitischen Aufgaben als besonders dringlich gesehen werden. Die Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach stützt sich auf 1.021 Online-Interviews mit einem repräsentativen Querschnitt der baden-württembergischen Bevölkerung ab 18 Jahre. Die Interviews wurden vom 30. Juni bis 7. Juli 2021 durchgeführt

Der Optimismus wächst

Die Stimmungslage in der Bevölkerung hat sich in den letzten Wochen deutlich verbessert. Seit die Infektionszahlen sinken, die Impfkampagne Fortschritte macht und die Rückkehr in ein weitgehend normales Leben greifbar erscheint, wächst der Optimismus in der Bevölkerung. Aktuell sehen 45 Prozent der baden-württembergischen Bevölkerung den kommenden 12 Monaten mit Hoffnungen entgegen, im Winter waren es 40 Prozent, im Spätherbst sogar nur 30 Prozent. Der Anteil derer, die der Zukunft mit Befürchtungen entgegenblicken, ist im gleichen Zeitraum von 25 auf 15 Prozent zurückgegangen, der Anteil der Skeptiker von 33 auf 27 Prozent.

Nach wie vor prägen die Corona-Pandemie und ihre Bekämpfung die politische Agenda der Bevölkerung. Aber mit sinkenden Infektionszahlen und steigendem Optimismus verlieren diese Themen etwas an Dringlichkeit. So rechnen aktuell 58 Prozent der Bevölkerung die Bekämpfung der Corona-Pandemie zu den wichtigsten Aufgaben, um die sich die neue Regierung kümmern muss, 43 Prozent auch die finanzielle Unterstützung von Unternehmen und Selbständigen, die von der Coronakrise besonders betroffen sind. Bei der letzten Erhebung im Februar rechneten noch 67 Prozent die Bekämpfung der Pandemie und 64 Prozent die finanzielle Unterstützung betroffener Unternehmen zu den wichtigsten Aufgaben. Als unverändert dringlich wird die Verbesserung der Digitalausstattung der Schulen eingestuft. Dies liegt auch darin begründet, dass sich hier aus Sicht der Bevölkerung bislang recht wenig verbessert hat und sinkende Infektionszahlen an der Dringlichkeit dieses Problems nichts ändern.

Neben den Anliegen, die unmittelbar mit der Pandemie zu tun haben, rücken nun aber auch andere Themen wieder stärker in den Fokus. So wird derzeit keiner anderen Aufgabe in Baden-Württemberg so viel Bedeutung beigemessen, wie der Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum. 66 Prozent zählen es zu den wichtigsten Aufgaben der neuen Regierung, für ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Darüber hinaus messen die Bürger des Landes der Bekämpfung der Kriminalität, dem Umwelt- und Klimaschutz sowie der flächendeckenden Bereitstellung von schnellem Internet große Bedeutung zu. 52 Prozent halten die Kriminalitätsbekämpfung, 51 Prozent den Schutz von Umwelt und Klima, 46 Prozent die Versorgung mit schnellem Internet für besonders dringliche Aufgaben der neuen Regierung.

Am Ende der politischen Agenda steht die Forderung, die Autoindustrie dabei zu unterstützen, umweltfreundlichere und nachhaltigere Autos zu bauen. Lediglich 16 Prozent erkennen darin ein wichtiges Ziel der neuen Regierung. Die große Mehrheit der Bevölkerung sieht es primär als Aufgabe der Unternehmen an, dafür zu sorgen, dass die Automobilindustrie zukunftsfähig ist – nicht als Aufgabe des Staates. Aber auch die finanzielle Unterstützung von kulturellen Einrichtungen, von Sportvereinen und anderen Einrichtungen, die durch die Corona-Pandemie in Not geraten sind, zählt nach Auffassung weiter Teile der Bevölkerung nicht zu den wichtigsten politischen Aufgaben. Dies gilt auch für den Abbau von Schulden: Nur 22 Prozent der Bevölkerung messen dieser Aufgabe große Bedeutung zu.

 Gleichzeitig spricht sich die große Mehrheit der Bürger gegen die Neuaufnahme von Schulden und für die Beibehaltung der Schuldenbremse aus. Wegen der Mehrausgaben zur Bekämpfung der Corona-Krise wurde die in der Landesverfassung verankerte Schuldenbremse zuletzt immer wieder in Frage gestellt. 61 Prozent sehen jedoch keinen Anlass, die Schuldenbremse ganz generell in Frage zu stellen und plädieren für deren Beibehaltung. Da auch die derzeitige Regelung eine Aussetzung der Schuldenbremse erlaubt, hält die große Mehrheit eine grundsätzliche Abschaffung für nicht angebracht. Lediglich 19 Prozent sprechen sich dafür aus, die Schuldenbremse generell abzuschaffen.  

Bislang nur wenig Rückhalt für die neue Regierung

Die Fortführung der grün-schwarzen Landesregierung führt in der baden-württembergischen Bevölkerung zu geteilten Reaktionen. Nur gut jeder Dritte begrüßt die Fortsetzung des Regierungsbündnisses aus Grünen und CDU, knapp jeder Dritte hätte sich lieber eine Ampelkoalition aus Grünen, SPD und FDP gewünscht. Jeder Dritte gibt zudem zu Protokoll, dass es ihm egal ist, wer die neue Regierung bildet. Besonders breite Unterstützung erfährt die grün-schwarze Regierung von den Anhängern der CDU. Von diesen begrüßen 72 Prozent die Fortsetzung der alten Koalition. Die Anhänger der Grünen sind in dieser Frage deutlich gespaltener: 47 Prozent von ihnen befürworten die Koalition aus Grünen und CDU, 41 Prozent hätten sich lieber eine Koalition der Grünen mit SPD und FDP gewünscht.

Bereits zwei Jahre vor der Landtagswahl hatte Ministerpräsident Kretschmann bekanntgegeben, dass er bei der Wahl noch einmal als Spitzenkandidat seiner Partei antreten wird. Unklar ist nach wie vor, ob Winfried Kretschmann das Amt des Ministerpräsidenten die volle Amtszeit ausüben oder ob er im Laufe der Legislaturperiode sein Amt an einen Nachfolger übergeben wird. Eine relative Mehrheit der baden-württembergischen Bevölkerung würde es begrüßen, wenn Winfried Kretschmann die volle Amtszeit, also die nächsten fünf Jahre, im Amt bleiben würde. Rund jeder Dritte würde es hingegen vorziehen, wenn er das Amt bereits vorher an einen Nachfolger übergibt. Dass das Meinungsbild so unterschiedlich ausfällt, liegt jedoch vor allem daran, dass die Anhänger der Oppositionsparteien Ministerpräsident Kretschmann lieber heute als morgen in die Pension schicken würden. Bei den Anhängern der Regierungsparteien genießt Winfried Kretschmann hingegen breiten Rückhalt: 68 Prozent der Anhänger von Bündnis 90/Die Grünen und 64 Prozent der Unionsanhänger wünschen sich, dass Winfried Kretschmann die volle Amtszeit als Ministerpräsident im Amt bleibt.

Nach wie vor ist Winfried Kretschmann der mit Abstand bekannteste Landespolitiker Baden-Württembergs. Der Bekanntheitsgrad des Ministerpräsidenten liegt bei 92 Prozent. Mit weitem Abstand folgen zunächst jene Minister, die auch schon der vorherigen Landesregierung angehört haben: 58 Prozent haben schon mal von Innenminister Thomas Strobl gehört oder gelesen, 42 Prozent von Sozialminister Manfred Lucha und 36 Prozent von Winfried Hermann, weitere 32 Prozent von Peter Hauk. Nicole Hoffmeister-Kraut bringt es hingegen selbst nach fünf Jahren Amtszeit als Wirtschaftsministerin nur auf einen Bekanntheitsgrad von 21 Prozent; Theresia Bauer, die bereits seit 2011 Wissenschaftsministerin des Landes Baden-Württemberg ist, bringt es sogar nur auf einen Bekanntheitsgrad von 15 Prozent.

Sämtliche neuen Minister der im Mai gebildeten Landesregierung sind hingegen bislang nur Minderheiten der baden-württembergischen Bevölkerung bekannt. Danyal Bayaz kennen 13 Prozent der Bürger zumindest dem Namen nach, Theresa Schopper 10 Prozent, Thekla Walker 8 Prozent und Nicole Razavi sowie Marion Gentges jeweils nur 7 Prozent. Bei der Bewertung der Ergebnisse muss allerdings berücksichtigt werden, dass landespolitische Themen oft nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung wahrgenommen werden und es Landespolitiker grundsätzlich schwerhaben, einen hohen Bekanntheitsgrad zu erreichen.

Anders als die Bekanntheitswerte fallen die Popularitätswerte der Kabinettsmitglieder fast durchgängig positiv aus. Allerdings muss bei der Bewertung der Ergebnisse berücksichtigt werden, dass die Popularitätswerte immer nur bei denen ermittelt werden können, denen der jeweilige Politiker überhaupt ein Begriff ist. Hier erhalten auch jene Politiker, die nur einen sehr geringen Bekanntheitsgrad haben, durchgängig positive Beurteilungen. So haben 72 Prozent derjenigen, denen Danyal Bayaz ein Begriff ist – und das sind nur 13 Prozent der Bevölkerung – vom neuen Finanzminister eine gute Meinung, lediglich 28 Prozent bewerten ihn kritisch. Zu dem exakt gleichen Ergebnis gelangt auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann, den aber die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung kennt. Insofern muss dieses Ergebnis anders bewertet werden als dasjenige von Danyal Bayaz oder auch von Theresa Schopper, Thekla Walker oder Marion Gentges, die jeweils von 65 bis 70 Prozent derjenigen, denen diese Ministerinnen bekannt sind, positiv bewertet werden. Von den in der Bevölkerung bekannteren Ministern erhält Innenminister Strobl die besten Noten: 59 Prozent derjenigen, die ihn kennen, stellen ihm ein positives Zeugnis aus. Bei der letzten Erhebung im Februar wurde Strobl noch deutlich kritischer bewertet. Damals sahen ihn nur 46 Prozent positiv. Auch die Popularitätswerte von Verkehrsminister Winfried Hermann haben sich im gleichen Zeitraum verbessert: Hatten im Februar noch 49 Prozent von Winfried Hermann eine gute Meinung, sind es jetzt 58 Prozent.

Frühere Bestandsaufnahmen des Baden-Württemberg-Monitors konnten zeigen, dass insbesondere die Schulpolitik des Landes in der Corona-Krise überdurchschnittlich kritisch bewertet wurde. Im neuen Landeskabinett stellt nicht mehr die CDU das Amt der Kultusministerin, sondern die Grünen. Allerdings sind die Erwartungshaltungen an die neue Ministerin gering. Ein Drittel der Bürger findet es gut, dass die Grünen das Kultusministerium von der CDU übernommen haben, nahezu ebenso viele finden das nicht gut. Ein hoher Anteil der Bürger traut sich kein Urteil zu. Selbst von den Eltern von Schulkindern ist fast jeder Dritte unentschieden. 39 Prozent der Eltern sehen den Führungswechsel im Kultusministerium positiv.

Noch wesentlich drastischer fällt das Urteil in Bezug auf Sozialminister Lucha aus. Dass Manfred Lucha wie schon in der bisherigen Regierung auch im neuen Kabinett den Posten des Sozialministers innehat, interessiert drei Viertel aller Bürger nicht. Das Ergebnis zeigt sehr deutlich, wie wenig sich viele Bürger für Details der Landespolitik interessieren. Aufgrund des geringen Bekanntheitsgrads vieler Landespolitiker fällt es der großen Mehrheit schwer, in Personal- wie Sachfragen ein Urteil zu fällen.

Ambivalentes Urteil über einzelne Vorhaben der neuen Regierung

Im Wahlkampf war die Effizienz der Verwaltung ein zentrales Thema und auch im neuen Koalitionsvertrag ist das Thema moderne Verwaltung prominent vertreten. Allerdings ist die Mehrheit der baden-württembergischen Bevölkerung skeptisch, ob es der grün-schwarzen Landesregierung tatsächlich gelingt, die Modernisierung und Digitalisierung der Verwaltung ausreichend voranzubringen. Lediglich 29 Prozent trauen dies der neuen Landesregierung zu, 40 Prozent sind gegenteiliger Meinung. Erneut ist der Anteil der Bürger, die sich kein Urteil zutrauen, mit 31 Prozent vergleichsweise hoch.

Durchgängig zeigen die Ergebnisse, dass große Teile der Bevölkerung Schwierigkeiten haben, sich über für sie abstrakte politische Vorhaben oder Prozesse eine Meinung zu bilden. In dem Moment jedoch, wo Politik konkret wird und die persönliche Lebenswelt betrifft, ändert sich dies schlagartig. Dies trifft beispielweise auf die Solarpflicht zu. Ab dem Jahr 2022 soll der Einbau von Photovoltaikanlagen bei Neubauten oder größeren Dachsanierungen verbindlich werden. 47 Prozent halten dies für richtig, 37 Prozent widersprechen. Nur ein deutlich kleinerer Teil von 16 Prozent traut sich hier kein Urteil zu. Besonders groß ist die Zustimmung für dieses Gesetz erwartungsgemäß unter den Anhängern der Grünen. Von ihnen halten zwei Drittel die Einführung der Solarpflicht bei Neubauten für richtig.

Zudem hat die neue Landesregierung einen sogenannten Sachkundenachweis für Hundehalter eingeführt. Wer einen Hund besitzt – das sind in Baden-Württemberg immerhin 23 Prozent der Bevölkerung – muss in einem schriftlichen Test sowie einer praktischen Prüfung nachweisen, dass er seinen Hund unter Kontrolle hat und wissen, wie man einen Hund richtig hält und erzieht. 57 Prozent finden die Einführung eines solchen Hundeführerscheins für Hundehalter richtig, nur jeder Dritte hält dies für übertrieben. Hundebesitzer urteilen hier gänzlich anders als Personen, die keinen Hund besitzen. Nur 40 Prozent der Hundehalter, aber 63 Prozent der Personen ohne Hund begrüßen die Einführung des Hundeführerscheins; gut jeder zweite Besitzer eines Hundes, gegenüber nur rund jedem Vierten nicht Hundebesitzer findet den Sachkundenachweis für Hundehalter hingegen übertrieben.

Die aktuelle Untersuchung zeigt, dass sich viele Bürger Baden-Württembergs noch kein gesichertes Urteil über die neue Landesregierung gebildet haben. Dies bietet den Regierungsverantwortlichen die Chance, die Bürger bei ihren Vorhaben mitzunehmen und zu überzeugen. Gleichzeitig steht die Landespolitik immer vor der Herausforderung, dass ihr anders als der Bundespolitik von weiten Teilen der Bevölkerung nur selten große Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. (GEA)

Die Umfrage der Tageszeitungen

Wie zufrieden sind die Menschen in Baden-Württemberg mit der Arbeit der Landesregierung? Werden die richtigen Schwerpunkte gesetzt, wo wird nur geredet, wo wird gehandelt? Das wollen die Tageszeitungen in Baden-Württemberg in ihrer gemeinsamen Umfrage, dem Ba-Wü-Check, genauer wissen und arbeiten dafür mit dem Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) zusammen. Das IfD befragt einmal im Monat im Auftrag der Tageszeitungen mehr als 1000 Menschen im Land, um repräsentative Ergebnisse zu erhalten. Das IfD gehört zu den namhaftesten Umfrage-Instituten Deutschlands, auf den Rat der IfD-Chefin Renate Köcher greifen Vorstandsvorsitzende, Regierungschefs und Verbände zurück. Die gedruckten Tageszeitungen in Baden-Württemberg erreichen jeden Tag mehr als fünf Millionen Menschen, hinzu kommen die Leserinnen und Leser auf den reichweitenstarken Online-Portalen der Tageszeitungen. (GEA)