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Aktuell Landtagswahl

GEA-Wahlpodium: So haben sich die Reutlinger Kandidaten geschlagen

Beim GEA-Wahlpodium sind die Reutlinger Landtags-Kandidaten Thomas Poreski (Grüne), Frank Glaunsinger (CDU), Ramazan Selcuk (SPD), Regine Vohrer (FDP), Günter Herbig (Linke) und Ingo Reetzke (AfD) Rede und Antwort gestanden.

Mit Abstand (und nach negativen Schnelltests) auf der GEA-Bühne: Thomas Poreski (Grüne), Frank Glaunsinger (CDU), Ingo Reetzke (AfD), Ramazan Selcuk (SPD) und Regine Vohrer (FDP). Günter Herbig (Linke) war per Bildschirm zugeschaltet. Foto: Frank Pieth
Mit Abstand (und nach negativen Schnelltests) auf der GEA-Bühne: Thomas Poreski (Grüne), Frank Glaunsinger (CDU), Ingo Reetzke (AfD), Ramazan Selcuk (SPD) und Regine Vohrer (FDP). Günter Herbig (Linke) war per Bildschirm zugeschaltet.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. Corona lässt kein GEA-Podium mit allem Drum und Dran in der Stadthalle zu? Dann muss es eben diesmal ein »Fernsehabend« zur Landtagswahl sein, bei dem die Kandidaten für den Wahlkreis Reutlingen ins Kreuzverhör genommen werden. Die Moderatoren, GEA-Lokalchef Roland Hauser und Politikredakteurin Karin Kiefhaber, vermissen die Live-Atmosphäre und das Publikum im Saal durchaus schmerzlich. Doch immerhin können nach Schnelltests die Kandidaten der im Bundestag und/oder Landtag vertretenen Parteien im Oertel + Spörer-Saal Platz nehmen: Thomas Poreski (Grüne), Frank Glaunsinger (CDU), Ingo Reetzke (AfD), Ramazan Selcuk (SPD) und Regine Vohrer (FDP). Günter Herbig (Linke) ist aufgrund seiner eigenen Risiko-Einschätzung aus Pliezhausen zugeschaltet.

Amüsanter Einstieg: Im »Fragenhagel« zu Beginn des Livestreams erfahren die Zuschauer auch persönliche Details über die Kandidaten, bevor es inhaltlich zur Sache geht. Roland Hauser und Karin Kiefhaber fühlen den Bewerbern bei drei sehr heißen Themen auf den Zahn: Im Fokus stehen die Coronapolitik des Landes, die Mobilität der Zukunft und die Digitalisierung.

Corona und die Folgen

Ist der grüne Landessozialminister mit dem Krisenmanagement überfordert? Sind die Lockdown-Maßnahmen überzogen? Wie kann man denjenigen besser helfen, die unter der Krise ächzen? Sind die Schuldenberge gerechtfertigt, die die öffentliche Hand gerade anhäuft?

Thomas Poreski (Grüne) verteidigt Manfred Lucha. Alle Politiker hätten in der Krise Fehler gemacht, man müsse aus ihnen lernen. »Das Schlimmste haben wir hinter uns«, vermutet Poreski. Mit Schnelltests und steigenden Impfstoffmengen könne man mehr Öffnungen anpeilen. Ramazan Selcuk (SPD) möchte gezielte Angebote für schwächere Schüler, die unter Schulschließungen besonders leiden. Er wirft der Landesregierung Arroganz vor, weil sie nicht auf SPD-Vorschläge eingegangen sei, mit Hybrid-Unterricht, geteilten Klassen oder Luftfiltern Unterricht möglich zu machen. Frank Glaunsinger (CDU) fordert, das Impfchaos zu beenden und alles zu tun, um vor allem an Kitas und Schulen Normalität wiederherzustellen. »Kinder brauchen soziale Kontakte.«

Was sagt der AfD-Kandidat zu Corona-Verharmlosern in seiner Partei? Ingo Reetzke sagt, nicht jeder, der den Maßnahmen kritisch gegenüberstehe, sei ein »Corona-Leugner«. Er wünscht sich eine sachlichere Diskussion, in der unterschiedliche wissenschaftliche Meinungen gehört werden. Auch bei den Lockdown-Maßnahmen gelte es zu differenzieren – und die drohende Pleitewelle im Blick zu haben. Wenn ein Supermarkt alle Waren verkaufen darf, ein Fachhändler trotz Hygienekonzept aber nichts, dann sei das nicht zu verstehen. Das sieht Regine Vohrer (FDP) genauso. Die Landesregierung müsse im Übrigen nach der Krise den Kommunen Geld geben, damit diese die Innenstädte wieder beleben können.

Günter Herbig (Linke) möchte auch Geld geben, aber nicht an Unternehmen, die damit Manager-Boni bezahlen oder trotz Staatsunterstützung Mitarbeiter entlassen. Die Menschen »da unten« bräuchten mehr im Geldbeutel: Ein Plus an Kaufkraft helfe auch der Wirtschaft unverzüglich. Herbig fordert wie SPD-Kandidat Selcuk kostenlose Kitas. Aber ist dafür überhaupt noch Geld da? Es muss da sein, findet Ramazan Selcuk. Gute Bildung fange im Kindergarten an. Das hier investierte Geld bringe unmittelbaren volkswirtschaftlichen Ertrag. Thomas Poreski (Grüne) setzt auf wirtschaftliche »Neustarthilfen« nach der Krise – unter nachhaltigen und ökologischen Aspekten.

Mobilität der Zukunft

280 000 Menschen arbeiten in der Autobranche. Ist das Geburtsland des Automobils noch zu retten? Droht der Totalabstieg, wenn wir den Verbrennungsmotor in die Wüste schicken? Ist das der Preis des Klimaschutzes?

Thomas Poreski (Grüne) freut sich erwartungsgemäß auf die Regionalstadtbahn, die er als künftige Hauptschlagader der Region Neckar-Alb sieht. Sie sei aber nur ein Baustein in der vernetzten Mobilität. Poreski setzt auf den gut vorbereiteten »Strukturwandel« in der Automobilindustrie anstatt auf einen harten »Strukturbruch« mit all seinen negativen sozialen Folgen. Daher hätten die Grünen einen »Strukturdialog« mit allen Beteiligten angestoßen. Man müsse auch darüber reden, woher die Rohstoffe für die Elektromobilität kommen und wie sie recycelt werden. Mehrere Energieträger hätten ihren Platz und ihre Einsatzzwecke.

Ramazan Selcuk (SPD) bricht eine Lanze für den Ausbau des ÖPNV in ländlichen Gebieten. »Wenn wir es ernst meinen, können wir ihn nicht nur in den Großstädten ausbauen.« Er macht sich außerdem für das 365-Euro-Ticket stark, das in der Stadt Reutlingen gute Erfolge erzielt habe. Auch er spricht sich dafür aus, nicht nur einen Energieträger ins Visier zu nehmen. Der Verbrennungsmotor habe weiterhin seine Berechtigung, die Wasserstofftechnologie biete Perspektiven, ebenso wie das Elektrofahrzeug. Bei alldem aber müsse der Mensch im Mittelpunkt stehen. Die Transformation dürfe nicht auf Kosten des Arbeitnehmers geschehen. Deshalb sei es wichtig, in die Weiterbildung zu investieren.

Man habe viel zu lange aufs Automobil gesetzt und die Zukunft verschlafen, findet Günter Herbig (Linke) und fordert ebenfalls Fortbildungsprogramme für Arbeitnehmer. Er plädiert zudem für den »tendenziell« kostenfreien ÖPNV. Die Kommunen bräuchten dafür eine bessere finanzielle Ausstattung, um nicht auf den Kosten sitzen zu bleiben.

Regine Vohrer (FDP) fragt sich, warum die Brennstoffzelle nicht längst zum Einsatz kommt, wo sie doch seit Jahren erforscht werde. Die Industrie wandere in andere Länder ab, weil die Bedingungen hierzulande zu schwierig seien. Die Elektromobilität sei nur eine Variante der Mobilität, weil die Rohstoffgewinnung zu umweltschädlich sei. Synthetische Kraftstoffe könnte man schon heute beimischen. Den Individualverkehr gänzlich aufzulösen, hält Vohrer für falsch.

Frank Glaunsinger (CDU) hält den »grünen Wasserstoff« für eine Technologie, die vielleicht in zehn Jahren ausgereift sei. Tatsächlich seien Diesel-Autos der Euro-6-Norm auf der Höhe der Zeit. Die Brennstoffzelle sei bisher zu teuer. In kleineren Autos favorisiert er den Elektromotor.

Ingo Reetzke (AfD), auf drohende Fahrverbote angesprochen, hält die zugrunde liegenden Messwerte für »fiktive Größen«. Er zitiert Kabarettist Dieter Nuhr: »Wir messen am Auspuff.« Reetzke verweist auf die geplante Regionalstadtbahn, die er lieber durch einen Anschluss an das Stuttgarter S-Bahn-System ersetzen würde. Eine vernünftige ÖPNV-Infrastruktur im ländlichen Raum sei nicht machbar, weil nicht bezahlbar.

Digitalisierung

Cyber Valley, Netzausbau, digitaler Unterricht – das weite Feld der »Digitalisierung« ergibt kontroverse Antworten. Der Digitalunterricht dürfe nicht den Präsenzunterricht ersetzen, fordert Ramazan Selcuk (SPD). Für einen guten Digitalunterricht fehle die Infrastruktur. Für Reutlingen fordert er eine »Bürger-App«, die Behördengänge virtuell möglich machen soll.

Thomas Poreski (Grüne) schiebt den mangelnden Breitbandausbau der Kohl-Regierung in die Schuhe und verweist auf die fruchtbringende Ansiedlung von KI-Forschung in der Region. Im Vergleich zu anderen Bundesländern stehe das Ländle gut da. »Wir sind kein digitales Entwicklungsland.« Unternehmen bekämen viel Unterstützung. Das sieht Regine Vohrer (FDP) anders. Im Gespräch mit Unternehmern müsse sie erfahren, »dass es noch viel schlimmer ist, als ich gedacht habe«. Ihr fehlt ein »Digitalministerium«, das sämtliche Fragen bündeln und eine generelle Bestandsaufnahme leisten könne.

Frank Glaunsinger (CDU) verweist auf die Investition von einer Milliarde Euro in die Digitalisierung, der weitere 1,5 Milliarden folgen sollen. Verbunden mit einem Versprechen: »Bis 2025 haben alle im Land ein schnelles Internet.« Ingo Reetzke (AfD) rät, erst mal das Naheliegende zu tun und flächendeckend für ein 4G-Netz zu sorgen.

Günter Herbig (Linke) fürchtet sich davor, dass Geringverdiener im Digitalisierungsprozess abgehängt werden. Es sei ein Skandal, dass in den Schulen noch nicht alle Tablets verteilt seien. (GEA)

Wer zum Wahlkreis 60 gehört

Beim GEA-Podium diskutierten Landtagskandidaten für den Wahlkreis 60 Reutlingen. Er umfasst die Städte und Gemeinden Reutlingen, Pfullingen, Pliezhausen, Walddorfhäslach und Wannweil aus dem Landkreis Reutlingen sowie Dußlingen, Gomaringen, Kirchentellinsfurt, Kusterdingen und Nehren aus dem Landkreis Tübingen. (GEA)