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Manfred Stolpe: Kirchenmann, Preuße und Ministerpräsident

Der Name Stolpe ist mit der Stasi-Debatte nach der Wiedervereinigung verbunden. Auch wenn viele Vorwürfe sich nicht belegen ließen, blieb seine Rolle umstritten.

Brandenburgs Ex-Regierungschef Stolpe ist tot
Manfred Stolpe ist in der Nacht zum 29.12.2019 im Alter von 83 Jahren gestorben. Foto: Nestor Bachmann/dpa-Zentralbild/dpa
Manfred Stolpe ist in der Nacht zum 29.12.2019 im Alter von 83 Jahren gestorben. Foto: Nestor Bachmann/dpa-Zentralbild/dpa

Potsdam (dpa) - An Manfred Stolpe schieden sich die Geister. Im Land Brandenburg war der langjährige Ministerpräsident äußerst beliebt - bundesweit wurde aber jahrelang eine Debatte um seine Kontakte zur DDR-Staatssicherheit geführt.

Klar ist: Stolpe hatte als Kirchenfunktionär Kontakte mit der Stasi, die Behörde führte ihn als Inoffiziellen Mitarbeiter. Doch Verfahren der Potsdamer Staatsanwaltschaft wegen Falschaussage wurden eingestellt, und die Leitung der evangelischen Kirche erklärte Mitte der 1990er Jahre, Stolpe sei ein »Mann der Kirche und nicht der Stasi gewesen«. 2005 - er selbst sprach von später Genugtuung - entschied das Bundesverfassungsgericht, dass Stolpe nicht als Stasi-Mitarbeiter zu bezeichnen sei.

Stolpe wurde 1936 bei Stettin geboren und studierte nach dem Abitur in Greifswald ab 1955 an der Uni Jena Rechtswissenschaften. 1959 wurde er Diplom-Jurist, trat als Referendar in die Dienste der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg und wirkte an der Gründung des Evangelischen Kirchenbundes in der DDR mit. Dabei galt er als Vordenker einer Kirchenpolitik, die sich als »Kirche im Sozialismus« verstand. In den 1980er Jahren war er Konsistorialpräsident der Ostregion der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg.

1990 wurde Stolpe SPD-Mitglied, trat als Spitzenkandidat an und wurde im November von einer Ampelkoalition aus SPD, FDP und Bündnis 90 zum ersten Ministerpräsidenten des wieder neugegründeten Landes Brandenburg gewählt. Einen Namen machte sich Stolpe dabei als Vertreter der Interessen Ostdeutschlands. Er forderte staatliche Programme zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und eine Kurskorrektur bei der Treuhandanstalt, die volkseigene Betriebe fit machen und privatisieren sollte.

Angesichts weiter hoher Arbeitslosigkeit wuchs der Druck auf Stolpe nach der Jahrtausendwende aber zunehmend. Die SPD regierte zunächst mit absoluter Mehrheit, zuletzt führte Stolpe dann eine rot-schwarze Regierung. Vorzeigeprojekte wie der Lausitzring, der Cargolifter oder die Chipfabrik in Frankfurt (Oder) scheiterten oder liefen nicht wie erhofft.

Auch in der Koalition lief es nicht mehr rund: Im Bundesrat stimmte Stolpe 2002 beim Zuwanderungsgesetz mit »Ja« - sein Vize Jörg Schönbohm (CDU) aber mit »Nein«. Später kippte das Bundesverfassungsgericht die unterschiedliche Abstimmung als nicht zulässig. Überraschend erklärte Stolpe dann auf einem SPD-Parteitag in Wittenberg, in wenigen Tagen als Regierungschef zurücktreten zu wollen, um einen Generationenwechsel zu ermöglichen.

Ähnlich überraschend wurde Stolpe wenige Monate später im zweiten Kabinett von SPD-Kanzler Gerhard Schröder als »Gesicht des Ostens« Verkehrsminister. Er habe sich als »Preuße in die Pflicht nehmen« lassen, sagte Stolpe später. Nach der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 trat Stolpe dann von der politischen Bühne ab. Im Hintergrund kümmerte sich der Ruheständler verstärkt um den Erhalt historischer Baukultur. Im Januar 2012 zogen Stolpe und seine Frau in ein Altersheim in Potsdam. Nach eigener Krebserkrankung wirbt das Ehepaar für Vorsorgeuntersuchungen.

Der Ex-Regierungschef ging offen mit seiner Krankheit um. »Meine Stimmung ist gut. Meine Stimme ist aber schlecht«, sagte er den Zeitungen »Bild« und »B.Z.« im Februar 2019. Er benutzte ein Sprachgerät. Und: »Meine Mobilität ist stark eingeschränkt.« Stolpe nahm noch zahlreiche Termine wahr und äußerte sich zu politischen Themen, zog sich dann aber zurück und gab zuletzt auch keine Interviews mehr. Zu seinem 83. Geburtstag im Mai 2019 war Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bei ihm.