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Marbach Classics: Kaiser-Walzer und königliche Pferde

GOMADINGEN-MARBACH. Marbach Classics - ein Sommernachtstraum. In zwei lauen Albnächten erlebten insgesamt 2 500 Zuschauer in der großen Reithalle des Haupt- und Landgestüts Marbach am Freitag und Samstag zwei zauberhafte Vorstellungen, in deren Mittelpunkt in diesem Jahr das 200-jährige Bestehen der berühmten Weil-Marbacher Vollblutaraberzucht gestellt worden war.

Gekonnte Verneigung: Silvia Wimmer stellt den jungen Vollblutaraber Mamlakee am langen Zügel vor.
Gekonnte Verneigung: Silvia Wimmer stellt den jungen Vollblutaraber Mamlakee am langen Zügel vor. Foto: Thomas Warnack
Gekonnte Verneigung: Silvia Wimmer stellt den jungen Vollblutaraber Mamlakee am langen Zügel vor.
Foto: Thomas Warnack
Die Württembergische Philharmonie Reutlingen (WPR) erwies sich mit ihrem pferdebegeisterten Gastdirigenten Georg Fritzsch, dem Generalmusikdirektor des Theaters Kiel, als ebenso ausdrucksstarker wie einfühlsamer Showpartner.Das gibt es nur in Marbach: Der Dirigent, üblicherweise wird er mit den Veranstaltern von Marbach Classics im Landauer vors Orchester gefahren, reitet ein. Dem Anlass entsprechend im Frack und sicher im Sattel. So hat er sich beim Marbacher Publikum gut eingeführt. Er soll wiederkommen. Ihm zur Seite im Galopp Moderator Jan Tönjes, der mit Witz und Wissen durch das Programm führt.

Funkelnde Feuerwerksmusik

Das Orchester stimmt mit Händels funkelnder Feuerwerksmusik höfische Musik an, zu der die Marbach-Classics-Macher vom Chef der Landesfahrschule Fred Probst eingefahren werden. Erst nachdem Gestütschefin Dr. Astrid von Velsen-Zerweck, der Verleger des Reutlinger General-Anzeigers Valdo Lehari jun. und der Intendant der WPR Cornelius Grube da sind, kann es losgehen mit dem zweieinhalbstündigen Galaprogramm. Bei diesem sich schöne Schaubilder aneinanderreihen, die aus der Landeshistorie, aber auch Geschichten erzählen. Zum Beispiel von der Begegnung König Wilhelms I. mit Napoleons Reitpferd Marengo, einem Araber. Der hatte es dem Württembergerkönig dermaßen angetan, dass er vor 200 Jahren mit Bairactar und Murana I die ersten Pferde aus dem Orient in sein königliches Privatgestüt Weil bei Scharnhausen importieren ließ. Es war der Beginn der Vollblutaraberzucht in Deutschland und Marbacher Araber, die auf Bairactar zurückgehen, führen Weil im Namen. Aber auch die Geschichte der Hochzeit von König Karl mit der Zarentochter Olga zur Blütezeit der Orientbegeisterung in adeligen Kreisen, die bei Karl allerdings mehr dem höfischen Leben als der vom Vater begründeten Vollblutaraberzucht galt. Oder von Dornröschen - die Marbacher Voltigierer zur gleichnamigen Ballettmusik - alias Maria Bayer, die den Prinzen auf die Samtnase küsst, in diesem Fall Voltigierpferd Brilliant, genannt Sir Gregory. Die jungen Turnerinnen haben ihrem Sportsfreund den Kosenamen Teddy gegeben, der ein Augenmerk auf seine Prinzessinnen zu haben scheint. Mit Erwachsenen im Sattel soll sich Teddy zuweilen als Feger in allen Gassen geben.Die Marbacher und ihre Gäste zaubern, begleitet von der wunderbar passenden Musik und mit farbigen Lichteffekten ausgemalt, einen Reigen nach dem anderen auf die Bühne. Reiten im Damensattel, Schwarzwälder vor dem Traberkarren, Lektionen am langen Zügel und Quadrillen. Bravorufe gibt es für Zirkus Krone-Chefin Jana Mandana Lacey-Krone und ihre herrliche Freiheitsdressur mit sechs in Marbach geborenen Araberhengsten im Manegenrund.

Reitkunst vom Feinsten

Zum Kaiserwalzer, was würde besser passen, dann Reitkunst vom Feinsten. Bei Anja Beran, Grande Dame der klassischen Reitkunst, wie sie an den Höfen Europas zelebriert wurde und als Rosseballette (allerdings zu Barockmusik) vorgeführt wurde, und ihrem Team schienen sich diese fünf majestätischen Pferde in ihrer Erhabenheit zum Walzertakt zu bewegen. Die Galopp-Pirouetten im Dreivierteltakt gesprungen. Immer wieder Piaffe, Passage und Traversalen von einer solchen Leichtigkeit, die freilich erst in langen Lehrjahren erreicht wird. Georg Fritzsch hat den Kaiserwalzer so differenziert und leicht erklingen lassen, dass in leisen Passagen das Schnaufen der Pferde und das Klirren ihrer Kandaren zu hören war. Herrliche Geräusche zu herrlicher Musik.Dirigent Georg Fritzsch hat stets ein Auge auf die Akteure, die 65 Musiker, die Marbach Classics offensichtlich lieben, und das Showprogramm. Zwei Mal gehörte bei diesen traumhaft schönen Abenden die Aufmerksamkeit des Publikums ganz den Musikern. Fritzsch hatte das Zwischenspiel aus "Notre Dame" ausgesucht". Eine erhabene Überleitung aus der spätromantischen Oper von Franz Schmidt, einst Klassiker von Wunschkonzerten, heute kaum mehr gespielt, aber jeder hat es irgendwann einmal gehört. Die Oper erzählt die Geschichte von Esmeralda, dem Zigeunermädchen, und Quasimodo, dem Glöckner von Notre Dame, wer denkt da nicht gleich an Gina Lollobrigida und Anthony Quinn im berühmten Film. Die Streicher der Philharmonie lassen das pompös angelegte Zwischenspiel gesanglich strömen, hie und da blitzen kleine düstere Hinweise auf das Kommende auf.

Bildhaftes Orchesterspiel

Romantisch auch der zweite Solopart der Musiker, die zum Tanz der Pferde die Ballettmusiken beigesteuert haben. Fritzsch hat die Ouvertüre aus Mikhail Glinkas »Ruslan und Ludmilla« gewählt und reiht sich mit Puschkins Märchendichtung in die Handlungen der Ballettmusiken ein. Auch in der 1842 im St. Petersburger Bolschoi-Theater uraufgeführten Oper geht es um den Kampf zweier Rivalen um eine schöne Frau. Das Orchester erzählt in der Ouvertüre bildhaft in wilden Streicherbewegungen und sich duellierenden Blech- und Holzbläserparts die ganze Dramatik des Kampfes zwischen Ruslan und Tschernomor.Schließlich die Silberne Herde, fünf Vollblutaraberstuten. Bairactars edle Nachkommen, die zu den wehmütigen, die Tragik der Handlung ausmalenden Streicherklängen von Puccinis Oper »Manon Lescaut« den Wüstenwind wehen lassen, aus dem Arabische Pferde gemacht sind. Ebenfalls eine Premiere bei Marbach Classics und vom Zirkus abgeschaut, das große Finale mit den Akteuren - die Pferde durften ihren Hafer genießen - zur majestätischen Marschmusik »Pomp and Circumstance« von Elgar als Zugabe. Da freut man sich schon aufs nächste Mal. (GEA)