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Aktuell Lebensgeschichte

Neustart in Deutschland

REUTLINGEN. Alte, ausrangierte Tische, eine große Leinwand, auf der arabisches Fernsehen läuft und überall Menschen, die einerseits froh sind, hier sicher angekommen zu sein, andererseits aber immer noch Angst haben, abgeschoben zu werden – so sieht ein Tag im Leben von Hassan T. (Name von der Redaktion geändert) aus.

Auch wenn’s vorübergehend nur in einer Turnhalle ist: Die Flüchtlinge in Reutlingen sind willkommen.  FOTO: ZMS
Auch wenn’s vorübergehend nur in einer Turnhalle ist: Die Flüchtlinge in Reutlingen sind willkommen. FOTO: ZMS
Auch wenn’s vorübergehend nur in einer Turnhalle ist: Die Flüchtlinge in Reutlingen sind willkommen. FOTO: ZMS
Zusammen mit einigen seiner Freunde erzählte er uns seine Geschichte. Acht Jahre lang arbeitete er in Russland als Flugzeugingenieur. Als er nach Hause – nach Syrien, wo Mutter, Vater und Bruder leben – zurückkehrte, befand sich sein Heimatland mitten im Bürgerkrieg. Er beschloss, zu flüchten und brach nach Deutschland auf. Zuerst ging es über die Türkei mit dem Boot nach Griechenland. Von dort führte der Weg weiter über Mazedonien, Serbien und Kroatien nach Slowenien. Da brachen die härtesten Zeiten der Reise an, unter freiem Himmel ohne Essen und Trinken harrten Hassan und die anderen Flüchtlinge 36 Stunden aus, bis es weiter ging. Über Österreich gelang es ihm, sein Ziel zu erreichen: das lang ersehnte Deutschland.

Ein sicheres Leben und Arbeit

Über die Hilfe und den Respekt bei der Ankunft war er sehr positiv überrascht. In Deutschland wurde er zuerst registriert und dann für einen Monat einer Unterkunft zugewiesen. Nun ist er in der Turnhalle der Theodor-Heuss-Schule in Reutlingen untergebracht.

Im Schlafbereich ist es stickig und es wird arabische Musik gespielt. Hier wohnt Hassan mit fünf anderen Flüchtlingen, parzelliert mit Trennwänden und vielen weiteren Flüchtlingen in der Turnhalle. Erstaunlich ist, dass die Flüchtlinge, obwohl sie auf so engem Raum zusammenleben, ruhig und ausgeglichen sind. »Bisher hatten wir noch keine Probleme«, meint Elke Schuler, Sozialarbeiterin, zuständig für die Staatliche Gemeinschaftsunterkunft Theodor-Heuss-Halle. »Manch einer würde in so einer Situation komplett durchdrehen.«

Nun wartet Hassan seit vier Monaten auf das wohl wichtigste Gespräch seines Lebens. Danach wird entschieden, ob er in Deutschland bleiben darf.

Hier gibt es regelmäßig warme Mahlzeiten, frischen Tee, warmes Wasser zum Duschen und frische Kleidung, die gespendet wurde. Trotzdem wollen er und seine Mitbewohner nicht alles geschenkt bekommen, sondern für ihr Geld arbeiten.

Der Alltag des 29-Jährigen sieht so aus: Gegen 10 Uhr aufstehen, waschen, frühstücken und dann mit Deutschlernen loslegen. In wenigen Tagen wird er in seinen ersten Deutschkurs gehen, bis dahin lernen seine Freunde und er aber bereits selbstständig. Uns ist aufgefallen, dass viele Flüchtlinge von Mitarbeitern ermahnt werden, pünktlich zu ihren Kursen zu erscheinen. »Die Deutschen sind organisierter, die Syrer müssen das erst noch lernen«, sagt Hassan. Trotz der Unterschiede ist er der Meinung, dass die Syrer sich – wie die türkischen Gastarbeiter – sehr gut integrieren werden.

Erfahrungen aus Russland

Aus seiner Zeit in Russland ist er an das Leben in Europa gewöhnt, daher machen ihm die kulturellen Unterschiede nichts aus. Jeden Tag gehen er und seine Freunde in der Stadt spazieren. Seine Hobbys: Krafttraining und Yoga. Er sagt, dass die Deutschen ihn stets freundlich und mit Respekt behandeln. Für seine Zukunft hat er konkrete Ziele: »Mein Traum ist es, meine Eltern und meinen Bruder nach Deutschland nachzuholen, hier ein sicheres Leben zu führen und als Flugzeugingenieur zu arbeiten.«

Wir danken Hassan für das Gespräch, das wir in Englisch geführt haben, und wünschen ihm und seinen Freunden viel Glück in Deutschland. (ZmS)

Davide Hailer und Maximilian Welker, BZN-Gymnasium, Reutlingen, Klasse 9d